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Wenn Bürger die Energiewende in die eigenen Hände nehmen

Jeder fünfte Einwohner der Gemeinde Wildpoldsried sieht seiner Stromrechnung gelassen entgegen. Denn ihm gehören die Windräder auf dem Höhenrücken zwischen Ober- und Ostallgäu.

Über das Internet und Wikipedia hat es die 2600-Seelen-Gemeinde Wildpoldsried als „Energiedorf“ zu weltweiter Bekanntheit gebracht. Foto: Ilona Stelzl/lolaslicht

Weil die mehr Energie produzieren, als im Dorf gebraucht wird, bezahlt sich der Haushaltsstrom von selbst. Die Erste Bürgermeisterin Renate Deniffel erklärt das Do-it-yourself-Modell.

Renate Deniffel

Foto: Ralf Lienert

Wie kam es dazu, dass die Wildpoldsrieder die Energiewende in die eigenen Hände genommen haben?

Deniffel – 1996 hat sich der Gemeinderat mit der Zukunft unseres Dorfes beschäftigt: Wo wollen wir hin? Was wollen wir gestalten? Wo können wir sparen? Einer sagte: Der Wind schickt keine Rechnung – lasst uns ein Windrad bauen! 

Das Geld dafür hat die Gemeinde aber nicht. Und wir wollten auch keinen externen Projektentwickler, der uns etwas vor die Nase setzt. Also wurden die Bürger gefragt: Wer glaubt an den Erfolg? Wer will investieren? Mehr als erwartet hoben die Hand. Daraufhin ließ man den Naturschutz und die Artenvielfalt prüfen und änderte den Flächennutzungsplan. Vier Jahre später ging die erste Windkraftanlage in Betrieb. Das Windrad lieferte genug Strom, um einen von drei Haushalten im Dorf zu versorgen.

Und dann hagelte es vermutlich Einsprüche und Proteste. Wie ging der Gemeinderat damit um?

Deniffel  Die Bedenken, die es gab, wurden auf den Infoveranstaltungen ausgeräumt. Die 2600 Einwohner von Wildpoldsried werden über einen Bürgerbrief von uns informiert. Wie wir unsere Gemeinde weiterentwickeln können, diskutieren wir in Bürgerversammlungen. Wenn wir dazu einladen, ist der Saal voll. Zur jüngsten Dorfversammlung, bei der es um Freiflächen für Photovoltaik ging, sind vier von fünf Wildpoldsriedern gekommen. Sie sind aktiv und machen gerne mit, wenn es um sinnvolle Dinge geht. Bürgerbeteiligung ist für den Gemeinderat und für mich persönlich ein hohes Ziel.

 

Mittlerweile drehen sich neun Windräder auf dem Gemeindegebiet, und die erzeugen mehr Strom, als die Bürger verbrauchen. Wie haben Sie das geschafft?

Deniffel  Dank des technischen Fortschritts. Unsere erste Windkraftanlage erzeugte Strom für 390 Haushalte. Die nächsten versorgten 625 Haushalte. Und die Anlagen der neuesten Generation decken den Strombedarf von 3 500 Haushalten. Wir haben aber nur rund 900! Dank der Windkraft haben wir rechnerisch fünf Mal so viel Strom, wie das ganze Dorf braucht.

 

Sind Ihre Anlagen an das öffentliche Netz angeschlossen?

Deniffel  Ja, wir speisen unseren Strom dort ein und der wird dann an der Strombörse gehandelt. Die Bürger, die sich an den Windkraftanlagen beteiligt haben, bekommen wie alle anderen eine Stromrechnung vom Energieversorger. Aber sie erzielen eben auch Erlöse aus dem Verkauf des überschüssigen Stroms. Zehn Prozent Rendite sind immer drin. Natürlich muss das Verteilnetz dynamisch mitwachsen. Das bezahlen die Investoren, das gehört zum Geschäft. Aber unter dem Strich kostet der Strom die Bürger und Bürgerinnen, die in Windkraft investiert haben, gar nichts.

 

Wie versorgen sich die Wildpoldsrieder mit Wärme?

Deniffel – Auch die Sonne schickt keine Rechnung. Als Dachsolarmodule in Mode kamen, hat die Gemeinde informiert, einen Sammeleinkauf organisiert und den Bürgern günstige Preise für Beschaffung und Montage sichern können.

 

Was hat die Wildpoldsrieder letztlich von der Windkraft überzeugt?

Deniffel – Ganz ehrlich? Die Akzeptanz wächst mit dem Klingeln im Geldbeutel. Unsere Bürger konnten sich von Anfang an mit Eigenkapital an den eigens für dieses Projekt gegründeten Gesellschaften beteiligen, nach dem Motto: Bürger und Kommune gestalten gemeinsam die Energiewende. Das rechnet sich nun für uns alle.

 

Was hat denn die Kommune Wildpoldsried davon, dass die Bürger ihre eigene Energiewende machen?

Deniffel – Auch die Gemeinde hat einen winzigen Anteil an den Windkraftanlagen. Und auf den Dächern unserer kommunalen Gebäude sind Photovoltaik-Anlagen installiert. Damit senken wir unsere Energiekosten. Von den Erlösen fördern wir unsere Vereine, bauen Spielplätze und unterhalten unseren ökologischen Badeteich. Außerdem fließt uns die Gewerbesteuer aus den Windkraftanlagen zu. Unsere lokalen Elektriker kümmern sich um die Technik, und wenn Fachleute von weit her hinzugezogen werden müssen, dann übernachten sie im gemeindeeigenen Hotel. Von diesem Geschäft profitiert die ganze Dorfgemeinschaft.

 

Dafür werden Sie viel Applaus bekommen. Reist die Bürgermeisterin jetzt ständig durch die Weltgeschichte und hält Vorträge?

Deniffel – Nur manchmal, ich muss hier doch arbeiten. Aber unsere Bekanntheit hat durch die Energiekrise tatsächlich einen enormen Schub bekommen. Die Besucher rennen uns förmlich die Bude ein. Rund tausend Gruppen waren schon hier. Sogar aus Japan, Korea, Südamerika, Australien und Neuseeland.

 

Und was sagen Sie denen?

Deniffel – Was wir Wildpoldsrieder können, können andere Städte und Gemeinden auch. Nachahmen ist ausdrücklich.

Karen Engelhardt

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1 – Aktuelle Herausforderungen der Energiewende2 – Wer soll die Energiewende bezahlen?3 – Wie Klimaneutralität erreicht werden kann

Der runde Tisch teilnehmer

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    DETLEF FISCHER

    ist seit Mai 2022 Hauptgeschäftsführer des Verbands der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (VBEW) in München. 

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  • Dr. Claudia Häpp

    Dr. Claudia Häpp

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    Pascal Lang

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    Dr.-Ing. Christoph Pellinger

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    Er studierte Physik an der TU München, begann 2011 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der FfE und promovierte 2016 in der Energiesystemanalyse an der TU München. Anschließend übernahm er die Stelle der strategischen Projektentwicklung.

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    Timo Sillober

    ist seit März 2023 CEO der Energiekonzepte Deutschland GmbH in Leipzig. 

    Nach seinem Studium an der LMU zum Diplom-Kaufmann arbeitete er zunächst im IT-Bereich bei Siemens und Vodafone, ehe er 2016 zur EnBW Energie Baden-Württemberg AG wechselte. Dort war er hauptverantwortlich für den Ausbau des größten Schnellladenetzes für E-Autos in Deutschland. 

  • Dr. Karin Thelen

    Dr. Karin Thelen

    ist seit Juni 2023 Geschäftsführerin Regionale Energiewende der Stadtwerke München (SWM).

    Die gebürtige Münchnerin ist promovierte Biologin und hat berufsbegleitend einen wirtschaftswissenschaftlichen MBA-Abschluss erworben. Sie arbeitet seit elf Jahren bei den SWM, zuletzt mehrere Jahre als Leiterin der Technischen Qualitätssicherung.

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