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1 – Aktuelle Herausforderungen der Energiewende

Frau Thelen, der Bund würde die Kommunen gerne finanziell unterstützen, doch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts blockiert die Mittel.

Welche Auswirkungen hat das für die Stadtwerke München, und wie realistisch ist die bundesweite Umsetzung der Wärmeplanung bis 2028?

Karin Thelen – Das Urteil wirkt sich erheblich auf die Planung unserer Projekte aus. Wir benötigen rasch Klarheit, wie es mit dem Bundeshaushalt weitergeht und mit welchen Mitteln wir rechnen können. Neben den Finanzen kämpfen wir in manchen Bereichen aber auch mit personellen Engpässen. Wir benötigen eine ausreichende Anzahl an Fachkräften, um all die geplanten Maßnahmen auch baulich umsetzen zu können.

Karin Thelen

Förderprogramme haben durchaus ihre Berechtigung. Vor allem, wenn damit diejenigen unterstützt werden, die nicht über ausreichend Eigenmittel für den Einbau einer Wärmepumpe verfügen, sagte Katrin Thelen, Geschäftsführerin Regionale Energiewende der Stadtwerke München. Foto: Ilona Stelzl/lolaslicht

Trotz dieser Herausforderungen bin ich überzeugt, dass es möglich ist, für die Städte mit mehr als 10.000 Einwohnern einen bundesweiten Wärmebedarfsplan bis 2028 zu erstellen. Die Stadt München will in enger Abstimmung mit den Stadtwerken ihren Plan schon im nächsten Jahr verabschieden. Das ist wichtig, denn erst wenn die Kommunen wissen, wie viel regenerativ erzeugte Wärme und Strom sie tatsächlich benötigen, können sie die Umstellung und die dafür erforderlichen Anlagen planen sowie nach geeigneten Flächen suchen. Denn ob Solaranlagen, Windräder oder Geothermie – alles verbraucht Fläche. Aufgrund seiner geologischen Lage ist in München Geothermie für den Wärmebedarf das zentrale Thema. In ganz Deutschland könnten wir bis 2040 rund ein Viertel unseres Wärmebedarfs über Geothermie decken. Voraussetzung für den Ausbau aller Erneuerbare-Energien-Anlagen ist, dass wir bei den Genehmigungsverfahren schneller werden. Ohne den zügigen Ausbau der Energieinfrastruktur können wir die Haushalte nicht ans Netz bringen.

Herr Lang, Sie haben mit der Energiegenossenschaft Inn-Salzach eG schon Wärmebedarfsplanungen durchgeführt. Wie kann man die Bürger vor Ort am besten einbeziehen?

Pascal Lang – Als Genossenschaft ist es Teil unseres Geschäftsmodells, die Bürger bei allen Projekten einzubeziehen, sei es beim Ausbau des Fernwärmenetzes oder bei Photovoltaikanlagen. Zudem genießen wir einen Vertrauensbonus in der Bevölkerung, weil bei uns Nutzen- statt Gewinnmaximierung im Vordergrund steht und wir die Gewissheit bieten, auch noch in 20 Jahren als Partner vor Ort zu sein. Bei jedem Projekt ist es von größter Bedeutung, die Menschen von Anfang an umfangreich zu informieren und die Vorteile, die sie durch klimaneutrale Energieprojekte haben, herauszustreichen. Wir haben Ende September im unterfränkischen Bundorf einen 125-Megawatt-Solarpark in Betrieb genommen. Die dafür verwendete Fläche war aufgrund immer geringerer Niederschläge kaum noch landwirtschaftlich nutzbar. Von der insgesamt 125 Hektar großen Anlage bleiben 40 Hektar in der Hand der Bürgerinnen und Bürger, die sich über die Mitgliedschaft in unserer Energiegenossenschaft beteiligen können. Darüber hinaus liefert die Anlage nicht nur Strom, mit dem rechnerisch alle privaten Stromverbraucher im Landkreis Haßberge versorgt werden könnten, sondern sie deckt auch den lokalen Fernwärmebedarf. Aus Strom wird Wärme bei unserem vor Ort realisierten Wärmeprojekt. Dass wir die Baugenehmigung für dieses große Projekt mit einstimmigem Gemeinderatsbeschluss innerhalb von nur einem Jahr bekommen haben, lag mit Sicherheit an unserer Kommunikations- und Bürgerbeteiligungsstrategie. Entscheidend ist, dass die Menschen sehen, dass sie von einem Projekt unmittelbar durch Versorgungssicherheit und Preisstabilität profitieren und dass die Wertschöpfung vor Ort ankommt.

Die rasche Baugenehmigung für große Projekte wie den 125-Megawatt-Solarpark im unterfränkischen Bundorf gelingt nur, wenn auch die Menschen vor Ort durch mehr Preis- und Versorgungssicherheit etwas davon haben, erläuterte Pascal Lang, hauptamtlicher Geschäftsführer der EGIS Verwaltungs GmbH. Foto: Ilona Stelzl/lolaslicht

Herr Pellinger, woran hakt es aus Sicht der Forschungsstelle für Energiewirtschaft, dass wir mit der Energiewende nur schleppend vorankommen?

Christoph Pellinger – Da sind zum einen die enormen Flächenbedarfe für Solarparks, Windräder und andere Energieanlagen. Zum anderen ergibt sich aus unseren Analysen, die wir gemeinsam mit mehreren Stadtwerken durchgeführt haben, dass sehr viel an Arbeit eingespart werden könnte, wenn Städte und Stadtwerke ihre Planungen und Baumaßnahmen für die verschiedenen Infrastrukturnetze zusammenlegen beziehungsweise enger miteinander abstimmen würden. Das betrifft beispielsweise den Ausbau von Fernwärme- und Glasfasernetzen. Denn werden Straßen nur einmal aufgerissen, kostet es nicht nur weniger, sondern führt auch zu weniger Staus und Baulärm. Wir haben an der Forschungsstelle für Energiewirtschaft ein Netzwerk aufgebaut, in dem sich Fernwärmenetzbetreiber austauschen und voneinander lernen können. Ein weiterer Punkt ist der bereits angesprochene Engpass bei Fachkräften. Den bekommen wir ebenfalls zu spüren, sie fehlen auf allen Ausbildungs-ebenen. Hier könnte die Digitalisierung dazu beitragen, die Arbeit effizienter zu gestalten. Nicht, um Arbeitskräfte einzusparen, sondern um diejenigen nicht rekrutieren zu müssen, die man ohnehin nicht bekommt.

 

Frau Häpp, wo sehen Sie als Verantwortliche bei E.ON Ansatzpunkte für eine schnellere Energiewende?

Claudia Häpp – Das Thema Förderung wurde bereits genannt. Hier gab und gibt es vonseiten der Bundesregierung zu wenig Klarheit, etwa bei der Verabschiedung des Gebäudeenergiegesetzes sowie dem Hin und Her bei der Förderung von Wärmepumpen. Welche Folgen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts für die diversen Förderprogramme haben wird, ist Stand heute auch noch nicht absehbar. Dabei haben in Europa schon zahlreiche Länder ihre Energieversorgung auf Wärmepumpen umgestellt und hatten davon keine Nachteile. Deutschland ist in dieser Hinsicht mit Sicherheit kein Pionier. Ich finde es schade, wenn ich daran denke, welche Chancen sich für Deutschland rund um die Wärmepumpe ergeben könnten und wie sehr wir uns mit unseren Bedenken oft selbst im Weg stehen. Fördermaßnahmen sind sehr wichtig, aber sie müssen nachhaltig gestaltet und mit ausreichenden Mitteln ausgestattet werden, damit die Förderung bei denen ankommt, die sie wirklich benötigen. Man hat es bei der KfW-Förderung von Photovoltaikanlagen, Speichern und Wallboxen für Elektroautos gesehen, als die Mittel in einem Tag ausgeschöpft und die Server zeitweise nicht erreichbar waren. Aufgrund von Gesprächen mit Wärmepumpenherstellern gehen wir bei E.ON davon aus, dass es künftig mehr Wettbewerb und daraus resultierend tendenziell sinkende Preise geben wird. Wir brauchen aber nicht nur die Industriekapazitäten der Hersteller, sondern auch qualifizierte Fachkräfte, die die Geräte einbauen können. Photovoltaik und Wärmepumpen sind eine gute Kombination, um Heizen günstiger zu machen. Und Analysen zeigen, dass in Deutschland drei Viertel aller Häuser grundsätzlich umrüstbar sind.

 

Herr Fischer, halten Sie aus Sicht des Verbandes der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft die staatliche Förderung ebenfalls für unabdingbar?

Detlef Fischer – Es rufen zwar alle nach staatlichen Förderprogrammen, aber ich halte sie für nicht zielführend. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zeigt, dass Staat und Gesellschaft sich nicht von mit Schulden finanzierten Fördermitteln abhängig machen sollten. Bei dem KfW-Förderprogramm, das nach einem Tag vergriffen war, haben sicher nicht die bedürftigsten, sondern die schnellsten Antragsteller die Mittel erhalten. Eine solche Politik wird nicht funktionieren. Wir müssen stattdessen alles daransetzen, dass unsere Gesellschaft von sich aus begreift, was notwendig ist und dass jeder seinen Beitrag dazu leistet. Die Förderung fällt ja auch nicht vom Himmel, sondern wird von allen über Steuern finanziert. Manche Bürger zahlen dann doppelt, nämlich die, die auch ohne Fördermittel Photovoltaikanlagen und Wärmepumpen installiert haben. Die müssen dann mit ihren Steuern anderen die Anlagen mitfinanzieren. Das halte ich für unfair. Vor allem, weil mittlerweile viele Menschen exakt so lange mit ihren Baumaßnahmen warten, bis es eine staatliche Förderung gibt, anstatt von sich aus tätig zu werden. Im Grunde erziehen wir die Leute durch Förderprogramme zu solch einem Verhalten, weil es aus der Sicht des Einzelnen sinnvoll ist, während es für die Gemeinschaft Kosten verursacht. Deshalb weg mit den Förderprogrammen und stattdessen jedem klarmachen, was die Stunde geschlagen hat. Da erwarte ich auch von der Politik mehr Mut, um die selbst gesteckten Ziele zu erreichen. Die Stadt München will bis 2035, der Freistaat Bayern bis 2040 klimaneutral sein. Das ist ohne Anstrengungen der Bürger nicht zu schaffen.

 

Herr Sillober, Sie haben sich vor Kurzem den Ausbau der Photovoltaik zur Aufgabe gemacht. Schaffen wir das ohne staatliche Förderung?

Timo Sillober – Das Problem in Deutschland besteht darin, dass wir das Unternehmertum und den Glauben an technischen Fortschritt verloren haben. Zu Beginn meiner Karriere war ich in der Telekommunikationsbranche tätig. Das iPhone wurde nicht erfunden, weil irgendjemand ein Mobiltelefon ohne Tasten gefördert hat, sondern weil ein Unternehmen an technologischem Fortschritt gearbeitet und es auf den Markt gebracht hat. In meiner Zeit bei EnBW habe ich das größte Schnellladenetz für E-Autos in Europa aufgebaut. Der entscheidende Punkt dabei war, dass wir uns im Lauf der Entwicklung entschieden haben, auf Fördergelder zu verzichten. Hätten wir Fördergelder genommen, wäre das Netz jetzt höchstens ein Drittel so groß, weil wir die meiste Zeit damit verbracht hätten, auf Entscheidungen zu warten. Die Wallbox-Förderung vor zwei Jahren hat dazu geführt, dass alle drei deutschen Hersteller von Wallboxen heute entweder pleite sind oder die Produktion eingestellt haben. Denn dadurch wurde die Nachfrage künstlich nach oben getrieben, was zu einer Ausweitung der Kapazitäten geführt hat. Als die Förderung endete, brach der Absatz ein. Dasselbe haben wir bei der Förderung von Photovoltaikanlagen und bei Wärmepumpen erlebt. Die Anbieter stocken die Lager auf, solange die Fördermittel fließen, und sobald es keine mehr gibt, bleiben sie auf ihren Beständen sitzen, weil sie nichts mehr verkaufen.

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RUNDER TISCH – KLIMANEUTRALE ENERGIE

Die Stadt München möchte bis 2035 klimaneutral werden, der Freistaat Bayern bis 2040. Um diese ehrgeizigen Ziele zu erreichen, ist der rasche Ausbau von erneuerbaren Energien und Verteilnetzen erforderlich. Dafür notwendig ist unter anderem die Ausbildung von Fachkräften, um von der Planung schneller ins Handeln zu kommen.

1 – Aktuelle Herausforderungen der Energiewende2 – Wer soll die Energiewende bezahlen?3 – Wie Klimaneutralität erreicht werden kann

Der runde Tisch teilnehmer

  • DETLEF FISCHER

    DETLEF FISCHER

    ist seit Mai 2022 Hauptgeschäftsführer des Verbands der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (VBEW) in München. 

    Der gelernte Maschinenschlosser arbeitete nach seinem Maschinenbaustudium zunächst im Sicherheitswesen für die Kernkraft der Bayernwerk AG. 2001 wechselte er zum VBEW, dessen Geschäftsführung er 2008 übernahm.

  • Dr. Claudia Häpp

    Dr. Claudia Häpp

    ist seit Juni 2023 Senior Vice President Solutions Excellence bei E.ON Deutschland in München. 

    Die Ökotrophologin kam bereits während ihrer Dissertation zum Thema „Smart Home“ in Kontakt mit der BSH Hausgeräte GmbH, für die sie im Anschluss arbeitete. Im Mai 2018 wechselte sie zu E.ON Deutschland, wo sie sich für nachhaltige Produkte und Services einsetzt. 

  • Pascal Lang

    Pascal Lang

    ist seit Mai 2014 Vorstandsvorsitzender der EnergieGenossenschaft Inn-Salzach eG (EGIS eG) in Neuötting.

    Seit 2020 ist er hauptamtlicher Geschäftsführer der EGIS Verwaltungs GmbH. Nach seinem Diplom-Geographie-Studium in Heidelberg arbeitete er fast fünf Jahre als Projektmanager in einem Ingenieurbüro. 2012 wurde er Energie- und Klimaschutzmanager des Landkreises Altötting und baute die EGIS eG mit auf.

  • Dr.-Ing. Christoph Pellinger

    Dr.-Ing. Christoph Pellinger

    ist seit September 2021 Geschäftsführer der Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V. (FfE) in München. 

    Er studierte Physik an der TU München, begann 2011 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der FfE und promovierte 2016 in der Energiesystemanalyse an der TU München. Anschließend übernahm er die Stelle der strategischen Projektentwicklung.

  • Timo Sillober

    Timo Sillober

    ist seit März 2023 CEO der Energiekonzepte Deutschland GmbH in Leipzig. 

    Nach seinem Studium an der LMU zum Diplom-Kaufmann arbeitete er zunächst im IT-Bereich bei Siemens und Vodafone, ehe er 2016 zur EnBW Energie Baden-Württemberg AG wechselte. Dort war er hauptverantwortlich für den Ausbau des größten Schnellladenetzes für E-Autos in Deutschland. 

  • Dr. Karin Thelen

    Dr. Karin Thelen

    ist seit Juni 2023 Geschäftsführerin Regionale Energiewende der Stadtwerke München (SWM).

    Die gebürtige Münchnerin ist promovierte Biologin und hat berufsbegleitend einen wirtschaftswissenschaftlichen MBA-Abschluss erworben. Sie arbeitet seit elf Jahren bei den SWM, zuletzt mehrere Jahre als Leiterin der Technischen Qualitätssicherung.

DER RUNDE TISCH – KLIMANEUTRALE ENERGIE

Ob Sonne, Wind, Wasser oder Geothermie – über, auf und unter der Erde gibt es reichlich klimafreundliche Energien. Die warten nur darauf, von zupackenden Bürgern, innovativer Technik und einem beherzt in die Zukunft investierenden Freistaat erschlossen zu werden.

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