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2 – Wer soll die Energiewende bezahlen?

Wenn Fördermittel negative Effekte haben: Was können Staat und Unternehmen tun, um mehr Bürger dazu zu bringen, in Photovoltaikanlagen, Wärmepumpen und andere Maßnahmen zu investieren?

Mit der CO₂-Steuer gibt es ein funktionierendes Mittel, um die notwendigen Investitionen in Netzausbau und Stromtrassen zu finanzieren, betonte Timo Sillober, CEO der Energiekonzepte Deutschland GmbH. Damit Preisanreize im Markt wirken, müssen sie jedoch ausreichend hoch sein. Foto: Ilona Stelzl/lolaslicht

Timo Sillober – Bürger und Unternehmen müssen lernen, ohne Förderprogramme zu wirtschaften. Bei den Bürgern kippt aufgrund der ständigen Gesetzesänderungen bei der Förderung langsam die Stimmung gegen klimafreundliche Technik. Und die Unternehmen können nicht vernünftig planen, weil die Nachfrage durch die erratische Förderung einer ständigen Berg- und Talfahrt gleicht. Die Politik versucht, Dinge zu erzwingen, anstatt marktwirtschaftliche Anreize zu setzen. Mit einem modernen Energiesystem mit intelligentem Energiemanagement können Bürger nicht nur bei Sonnenschein von einer Photovoltaikanlage profitieren. Sie können dank dynamischer Stromtarife selbst dann ihr E-Auto oder ihren Speicher beladen, wenn keine Sonne scheint und der Strom aufgrund der geringen Netzauslastung praktisch zum Nulltarif zu haben ist. Damit kann jeder Einzelne dazu beitragen, das Stromnetz in Zeiten der Überproduktion zu entlasten und gleichzeitig einen wirtschaftlichen Vorteil durch günstige Preise erzielen. Das ist nicht nur sinnvoll für das Gesamtsystem, sondern auch ein Anreiz und profitabler Kundennutzen in ein solches System zu investieren. Die Frage nach der Bezahlung haben wir im Grunde schon beantwortet, denn mit der CO₂-Steuer gibt es ein probates Mittel, einen echten Marktanreiz zu setzen. Dieser kann sehr gut mit KfW-Krediten zur Förderung klimaneutraler Energie flankiert werden. Beides würde für eine nachhaltige und planbare Energiewende am Markt sorgen. Das Karlsruher Urteil und die nun fehlenden 60 Milliarden Euro im Bundeshaushalt sind deshalb auch eine Chance, politisch umzudenken und es besser zu machen.

Christoph Pellinger – Ich stimme Herrn Fischer zu, dass wir die Bürger dazu bringen müssen, nicht auf Förderung zu warten, sondern das zu tun, was sie in ihrem Einflussbereich leisten können. Das gilt aber auch für die Immobilienbranche, die bei Neubauprojekten leider immer noch oft vergisst, Photovoltaikanlagen und Wallboxen einzuplanen und als Verkaufsargument zu nutzen. Vielleicht wirft das zu wenig Gewinn für sie ab oder ist bei der Planung mit zusätzlichem Aufwand für die Abstimmung mit den Energieanbietern verbunden. Deshalb würde ich mir wünschen, dass hier Auflagen für Immobilienentwickler gemacht werden. Die müssen jetzt schon pro Wohneinheit eine bestimmte Zahl an Stellplätzen einplanen. Warum dann nicht gleich auch ein paar Ladestationen? Bei Neubauten ist es anders als im Bestand überhaupt kein Problem, in Tiefgaragen die notwendige Ladeinfrastruktur für einen Teil der Stellplätze von Anfang an einzuplanen. Die Kosten dafür betragen nur einen Bruchteil dessen, was ein Stellplatz kostet, und sind deshalb kein Argument, es nicht zu tun. In diesem Bereich werden auf jeden Fall sehr viele Chancen liegen gelassen.

Detlef Fischer – Wir brauchen im Grunde einen komplett anderen Ansatz als bisher. Ich hielte es für sinnvoll, wenn jeder Bürger ein CO₂-Konto erhält, auf dem zu Jahresanfang 2024 beispielsweise fünf Tonnen CO₂ gutgeschrieben werden. Im Jahr 2024 sind es dann nur noch 4,5 Tonnen und so weiter. Der Ausstoß wird dann verbrauchsabhängig abgebucht, und wenn das Guthaben aufgebraucht ist, ist Schluss mit lustig oder man muss sich von sparsameren Leuten CO₂ kaufen. Da schlägt das Heli-Skiing in Kanada dann ordentlich zu Buche, während andere halt länger mit ihrem Guthaben auskommen. Aktuell ist es doch so, dass jemand, der klimafreundlich lebt, nichts davon hat. Umgekehrt werden diejenigen, die mit ihrem CO₂-Ausstoß prassen, nicht zur Kasse gebeten werden. Das zeigt, dass unser ganzes System überhaupt noch nicht auf Klimafreundlichkeit ausgelegt ist. Das höchste Ansehen genießt, wer im größten Haus wohnt, das größte Auto fährt und möglichst weit weg in den Urlaub fliegt. Dieses Verhalten ändert sich nicht durch Mikromanagement, bei dem hier eine Fördermaßnahme und dort eine Auflage gemacht wird. Gefragt ist Makromanagement, bei dem jeder Bürger ein Budget erhält und eigenverantwortlich wirtschaften muss. Das wäre auch sozial, denn ärmere Menschen leben zwangsläufig klimafreundlicher, weil sie sich große Wohnungen, Autos und Fernreisen nicht leisten können.

Karin Thelen – Aus meiner Sicht haben Förderprogramme von Staat, Stadt oder Unternehmen durchaus eine Berechtigung. Wir dürfen die soziale Komponente nicht aus den Augen verlieren, denn nicht jeder verfügt kurzfristig über ausreichend finanzielle Mittel. Für den Tausch einer Heizung muss man schon mit 30.000 bis 40.000 Euro rechnen und nicht jeder kann sich eine Wärmepumpe und beziehungsweise oder eine Photovoltaikanlage leisten. Natürlich ist die Kombination mit einer Wallbox und einem Elektroauto ideal, aber dann wird es noch einmal deutlich teurer. Das mag sich ja im Laufe der Zeit amortisieren, ändert jedoch nichts an den zunächst einmal hohen Anschaffungskosten. Aber auch Kommunen, die in Klimaneutralität investieren müssen, stehen vor enormen finanziellen Herausforderungen. Wenn es zum Beispiel um die Beschleunigung von Infrastrukturmaßnahmen geht, reden wir schnell über Milliardenbeträge, die auch eine Großstadt wie München nicht einfach kurzfristig zur Verfügung hat. Kleinere Kommunen erst recht nicht. Auch hier werden wir ohne Förderung nicht vorankommen.

Detlef Fischer – Das mag punktuell ja so sein, dass es ohne Förderung nicht geht. Aber mit Blick auf die Förderung von Privathaushalten erinnere ich mich gut daran, was mir mein Vater, der durchschnittlich verdient hat, ans Herz gelegt hat: Für zwei Dinge solle ich immer genügend Geld auf dem Konto haben – für eine neue Heizung und ein Auto. Wenn das Geld auf dem Konto sei, könne ich gerne eine Kreuzfahrt machen. Diese Einstellung hat mich geprägt, aber sie ist in weiten Teilen der Gesellschaft verloren gegangen. Da wird das Geld rausgehauen, und wenn dann eine Renovierung ansteht, ist nichts da. Und dann soll der Staat, also letztlich alle Steuerzahler, es richten.

Durch Technik wird in Bereichen wie Medizin, Mobilität und Energie vieles besser, erklärte Claudia Häpp, Senior Vice President Solutions Excellence bei E.ON Deutschland. Aber es fehlt in Deutschland an Aufbruchstimmung und Begeisterung für die darin liegenden Möglichkeiten. Foto: Ilona Stelzl/lolaslicht

Karin Thelen – Wir haben in den vergangenen Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, alle von den niedrigen Energiepreisen profitiert. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Zerstörung der Nordstream-Pipelines hat den Energiemarkt völlig durcheinandergebracht. Jetzt ändert sich das Mindset in der Gesellschaft, und wir müssen mit den neuen Rahmenbedingungen umgehen.

Timo Sillober – Wir haben mit der CO₂-Steuer ein funktionierendes Mittel, um die notwendigen Investitionen in Netzausbau und Stromtrassen zu finanzieren. Nach meiner Erfahrung reagieren Kunden dann, wenn das System ihnen einen echten wirtschaftlichen Nutzen und sogar Spaß bieten. Deshalb habe ich in den vergangenen sieben Jahren nie einen Gedanken daran verschwendet, dass die E-Mobilität nicht kommen wird, denn wer einmal mit einem Elektroauto gefahren ist, der will nicht mehr davon weg. Deshalb braucht es weder ein Verbot von Autos mit Verbrennungsmotor noch eine finanzielle Förderung für E-Autos, denn in 2035 wird ohnehin niemand mehr ein Auto mit einer fünfzig Jahre alten Technologie kaufen. Die Menschen haben ja sogar schon 4K-Fernseher gekauft, als es noch gar keine Programme dafür gab. Und deswegen glaube ich auch an die moderne Technik in der Solarbranche und daran, dass der Gedanke an nachhaltige Energieerzeugung sich in den Köpfen der Bürger etablieren wird. Eine günstige und sichere Finanzierung über die KfW sowie ein Mehr an Lebensqualität reichen völlig aus, um den Wandel der eigenen Energieversorgung, bestenfalls in Kombination mit dem Heizen, herbeizuführen.


Kommt die klimafreundliche Heizung tatsächlich ohne Förderung ins Haus?

Christoph Pellinger – Grundsätzlich ist die CO₂-Bepreisung ein guter Weg. Mein bisheriger Eindruck ist aber eher, dass die Menschen angesichts der schwankenden Politik eine abwartende Haltung einnehmen. Vielleicht lässt sich der stetig steigende CO₂-Preis am Ende politisch gar nicht durchhalten, und alle Wirtschaftlichkeitsberechnungen sind Makulatur. Also baut so mancher am Ende doch wieder eine Ölheizung ein. Die durch punktuelle Fördermaßnahmen ausgelösten Preis- und Nachfrageschwankungen haben nicht gerade das Vertrauen in eine langfristige und stabile Politik gestärkt. Dass es anders geht, zeigt Finnland. Dort hat sich die Wärmepumpe als Heizungssystem durchgesetzt.

Pascal Lang – Ein anderes Beispiel ist Dänemark, wo 70 Prozent der Haushalte an das Fernwärmenetz angeschlossen sind und der Rest, wo diese Netze nicht wirtschaftlich sind, mit Luft-Wärme-Pumpen versorgt wird. Auch andere Länder zeigen, wie es gemacht werden könnte. Was mir an Dänemark so gut gefällt, ist die Versorgung im ländlichen Raum. Die Berliner Politik denkt immer nur an die Städte und vergisst dabei, dass in Deutschland die Hälfte der Bevölkerung im ländlichen Raum in Orten mit weniger als 10.000 Einwohnern lebt. Da gibt es keine Stadtwerke, keine große Stadtverwaltung oder Bauämter, die sich um solche Themen kümmern können. Da fehlt es an Ansprechpartnern. Bei uns gibt es sogar noch Häuser mit Kohleheizungen. Und bei dezentralen Heizungen ist die Ölheizung für viele aus Kostengründen immer noch die günstigste Alternative. Mit Hackschnitzeln oder Pellets soll man auch nicht mehr heizen, also bleibt kaum etwas anderes übrig. Dann heißt es aus Berlin, dass die Leute neben der Wärmepumpe auch gleich noch ihr Haus sanieren sollen – da kommen dann schnell 150.000 Euro und mehr zusammen. So viel Geld haben viele Leute schlicht und ergreifend nicht. Übrigens kostet dieselbe Hackschnitzelheizung, die vor drei Jahren noch 22.000 Euro gekostet hat, mittlerweile gerne mal 50.000 Euro. Diese Preisexplosion ist unter anderem auch auf den Fördermechanismus zurückzuführen. Die andere Wirkung von Fördermitteln, die ich momentan häufig erlebe, ist eine Zurückhaltung beim Anschluss an die Fernwärme. Aktuell gibt es 40 Prozent Förderung, und viele warten mit ihrem Anschluss, weil es nächstes Jahr 50 Prozent gibt.

Claudia Häpp – Der Forderung, den ländlichen Raum stärker zu berücksichtigen, kann ich mich nur anschließen. E.ON ist als Energieversorger breit in der Fläche vertreten, und wir erleben es auch sehr oft, dass dort teilweise nicht so viel Geld für Renovierung und Modernisierung vorhanden ist. Wir haben vor Kurzem eine bundesweite Wärmelandkarte erstellt, in der nach Postleitzahlen gegliedert die Heizungssysteme erfasst werden. Während in Bayern und Baden-Württemberg viel mit Öl und Holz geheizt wird, überwiegt im Rest Deutschlands Gas als wichtigster Energieträger für Heizungen. Fakt ist, dass der Verkauf von Öl- und Gasheizungskesseln in diesem Jahr stark gestiegen ist, weil die Leute verunsichert und die Preise für Gas und Strom zuletzt wieder gesunken sind. Wir müssen in der Gesellschaft die Eigenmotivation fördern, nachhaltiger zu wirtschaften. Wobei sich Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit ja nicht ausschließen.

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RUNDER TISCH – KLIMANEUTRALE ENERGIE

Die Stadt München möchte bis 2035 klimaneutral werden, der Freistaat Bayern bis 2040. Um diese ehrgeizigen Ziele zu erreichen, ist der rasche Ausbau von erneuerbaren Energien und Verteilnetzen erforderlich. Dafür notwendig ist unter anderem die Ausbildung von Fachkräften, um von der Planung schneller ins Handeln zu kommen.

1 – Aktuelle Herausforderungen der Energiewende2 – Wer soll die Energiewende bezahlen?3 – Wie Klimaneutralität erreicht werden kann

Der runde Tisch teilnehmer

  • DETLEF FISCHER

    DETLEF FISCHER

    ist seit Mai 2022 Hauptgeschäftsführer des Verbands der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (VBEW) in München. 

    Der gelernte Maschinenschlosser arbeitete nach seinem Maschinenbaustudium zunächst im Sicherheitswesen für die Kernkraft der Bayernwerk AG. 2001 wechselte er zum VBEW, dessen Geschäftsführung er 2008 übernahm.

  • Dr. Claudia Häpp

    Dr. Claudia Häpp

    ist seit Juni 2023 Senior Vice President Solutions Excellence bei E.ON Deutschland in München. 

    Die Ökotrophologin kam bereits während ihrer Dissertation zum Thema „Smart Home“ in Kontakt mit der BSH Hausgeräte GmbH, für die sie im Anschluss arbeitete. Im Mai 2018 wechselte sie zu E.ON Deutschland, wo sie sich für nachhaltige Produkte und Services einsetzt. 

  • Pascal Lang

    Pascal Lang

    ist seit Mai 2014 Vorstandsvorsitzender der EnergieGenossenschaft Inn-Salzach eG (EGIS eG) in Neuötting.

    Seit 2020 ist er hauptamtlicher Geschäftsführer der EGIS Verwaltungs GmbH. Nach seinem Diplom-Geographie-Studium in Heidelberg arbeitete er fast fünf Jahre als Projektmanager in einem Ingenieurbüro. 2012 wurde er Energie- und Klimaschutzmanager des Landkreises Altötting und baute die EGIS eG mit auf.

  • Dr.-Ing. Christoph Pellinger

    Dr.-Ing. Christoph Pellinger

    ist seit September 2021 Geschäftsführer der Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V. (FfE) in München. 

    Er studierte Physik an der TU München, begann 2011 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der FfE und promovierte 2016 in der Energiesystemanalyse an der TU München. Anschließend übernahm er die Stelle der strategischen Projektentwicklung.

  • Timo Sillober

    Timo Sillober

    ist seit März 2023 CEO der Energiekonzepte Deutschland GmbH in Leipzig. 

    Nach seinem Studium an der LMU zum Diplom-Kaufmann arbeitete er zunächst im IT-Bereich bei Siemens und Vodafone, ehe er 2016 zur EnBW Energie Baden-Württemberg AG wechselte. Dort war er hauptverantwortlich für den Ausbau des größten Schnellladenetzes für E-Autos in Deutschland. 

  • Dr. Karin Thelen

    Dr. Karin Thelen

    ist seit Juni 2023 Geschäftsführerin Regionale Energiewende der Stadtwerke München (SWM).

    Die gebürtige Münchnerin ist promovierte Biologin und hat berufsbegleitend einen wirtschaftswissenschaftlichen MBA-Abschluss erworben. Sie arbeitet seit elf Jahren bei den SWM, zuletzt mehrere Jahre als Leiterin der Technischen Qualitätssicherung.

DER RUNDE TISCH – KLIMANEUTRALE ENERGIE

Ob Sonne, Wind, Wasser oder Geothermie – über, auf und unter der Erde gibt es reichlich klimafreundliche Energien. Die warten nur darauf, von zupackenden Bürgern, innovativer Technik und einem beherzt in die Zukunft investierenden Freistaat erschlossen zu werden.

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