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3 – Wie Klimaneutralität erreicht werden kann

Die Stadt München und der Freistaat Bayern haben sich Klimaneutralität als Ziel gesetzt. Bislang heizt die Mehrheit mit Gas und Öl und fährt Autos mit Verbrennungsmotoren. Schaffen wir die Wende wirklich nur mit Preisanreizen oder braucht es doch mehr?

Pascal Lang – Im ländlichen Raum ist der Netzausbau von Fernwärme ohne Fördermittel kaum machbar, denn es lohnt sich nur, wenn man große Industriekunden als Ankerkunden hat. Die Fremdfinanzierung ist aufgrund der gestiegenen Zinsen zunehmend problematisch. Wir haben gerade erst ein Projekt deswegen aufgegeben. Banken und Versicherungen betrachten Fernwärmenetze als Risikoprojekte, da dem Kredit anders als bei der Photovoltaik keine sicheren Einnahmen aus Einspeisevergütungen gegenüberstehen. Deshalb müssen wir als Betreiber mehr Eigenkapital aufbringen, damit bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung noch ein positives Ergebnis herauskommt und wir die Finanzierung erhalten. Es gibt ja jetzt schon genügend Fernwärmenetze, die von den Gemeinden subventioniert werden müssen. Das kann aber nicht das Ziel sein, weil sonst als Konsequenz die Preise für die Wärme steigen. Deshalb bin ich im ständigen Austausch mit der Politik, um hier Erleichterungen bei der Finanzierung zu erreichen.

Deutschland braucht einen Kulturwandel. Anstatt zu überlegen, was an neuer Technik negativ sein könnte, sollte man eher die Chancen darin erkennen, um Fortschritte zu erzielen, mahnte Christoph Pellinger, Geschäftsführer der Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V. in München. Foto: Ilona Stelzl/lolaslicht

Timo Sillober – Die Preisanreize, die mit der CO₂-Steuer geschaffen wurden, haben sowohl bei der Photovoltaik als auch bei der Elektromobilität gewirkt. Erst mit dem Chaos bei der Förderung und durch die Abschaffung der CO₂-Besteuerung bei Benzin und Gas während der Corona-Pandemie ging der Bau von PV-Anlagen und der Absatz von E-Autos massiv zurück. Jetzt ist das Gas wieder günstiger, aber der CO₂-Preis ist trotzdem nicht wieder da. Preisanreize funktionieren schon, aber wir haben sie aktuell nicht in ausreichender Höhe. Bei Wärmepumpen und Heizungssanierungen sollte der Umbau nur über günstige Kredite erfolgen.

Pascal Lang – Der Heizungsumbau sollte für alle in erster Linie über günstige Kredite gefördert werden. Nur bei einkommensschwachen Haushalten könnte ein gewisser Prozentsatz über Fördermittel gedeckt werden. Doch wenn ich zum Beispiel das mir das Hin und Her bei der Mehrwertsteuer für Gas und Fernwärme ansehe, die jetzt wieder auf 19 Prozent angehoben werden soll, dann verstehe ich, dass die Bürger ihr laufendes System nicht ändern wollen. Es ist momentan wenig Konstanz in der Politik, was natürlich auch dem Umstand geschuldet ist, dass sie mit den externen Schocks am Energiemarkt und der Haushaltspolitik zu kämpfen hat.

Detlef Fischer – Dass der CO₂-Preis noch nicht die Wirkung erreicht, die er haben könnte, liegt vor allem daran, dass er nur so hoch ist, dass er den meisten Bürgern nicht weh tut. Das verhält sich ein wenig, wie mit den Zigaretten. Die werden auch nur so hoch belastet, dass sie genügend Tabaksteuer einbringen, aber nicht die Menschen vom Rauchen abhalten. Es geht beim CO₂-Preis aber nicht darum, Steuereinnahmen zu generieren, ohne dass die Menschen ihr Verhalten ändern, weil er dann sein eigentliches Ziel verfehlt. Wir brauchen also noch mehr.

Der CO₂-Preis ist nicht dazu da, um Steuereinnahmen zu generieren, sondern um das Verhalten der Menschen in Richtung Klimaneutralität zu bewegen, forderte Detlef Fischer, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft e.V., mehr Mut von der Politik. Foto: Ilona Stelzl/lolaslicht

Claudia Häpp – Jedes Modell ist ein Übergangsmodell, und das ist mit dem CO₂-Preis nicht anders. Wenn man bedenkt, dass die Kinder, die heute geboren werden, eine Lebenserwartung von fast 100 Jahren haben, dann sieht man, was medizinischer Fortschritt bewirkt. Das ist aber auf allen Gebieten so, auch bei der Energie. Durch Technik wird vieles besser. Aber es fehlt in Deutschland an Aufbruchstimmung und Begeisterung für die darin liegenden Möglichkeiten. Ich war vor Kurzem das erste Mal nach sieben Jahren wieder in China. Dort sieht man mittlerweile sehr viele Elektroautos, was die Umweltbelastung senkt und die Lebensqualität fördert. Dort nutzt man den technischen Fortschritt, den man gerade in diesem Bereich beobachten kann. 2018 hatte mein erstes E-Auto eine Reichweite von lediglich 150 Kilometern, mein zweites hat schon eine Reichweite von 500 Kilometern und ist damit auch klar für längere Strecken geeignet.

Christoph Pellinger – Aus diesem Grund plädiere ich für einen Kulturwandel in Deutschland in Bezug auf die Einstellung gegenüber dem Neuen. Anstatt zu überlegen, was daran negativ sein könnte, sollte man eher die Chancen darin erkennen, um Fortschritte zu erzielen. Man muss nicht jede Neuerung automatisch gut finden, aber man kann sie zumindest einmal ausprobieren, um zu sehen, wie es funktioniert. Im akademischen Bereich werden junge Professoren heute vor allem daran gemessen, in welchen wissenschaftlichen Publikationen sie Beiträge veröffentlichen. Sie werden aber selten danach beurteilt, wie relevant ihre Forschungsprojekte für die Gesellschaft und die Transformation zu einem zukunftsfähigen System sind. Deshalb hat die Technische Universität München mit der UnternehmerTUM in kurzer Zeit Europas größtes Zentrum für Gründung und Innovation aufgebaut, um für die vielen gesellschaftlichen Herausforderungen Lösungen zu finden. Daraus sollen auch Geschäftsmodelle entstehen, mit denen die Forschungsergebnisse monetarisiert werden können, die bislang allzu oft ungenutzt in der Schublade verschwinden. An dieser Stelle sollte sich das Forschungssystem ändern.

Claudia Häpp – Wir haben schon einige Projekte in Zusammenarbeit mit der UnternehmerTUM durchgeführt, und was mir daran gefällt, ist genau dieser Ansatz: einfach mal machen und ausprobieren. Das ist etwas, das nur Unternehmen und Universitäten leisten können, denn einem privaten Bauherren kann ich nicht zumuten, dass er sich eine Anlage ins Haus installiert und dann schaut, ob sie läuft. Es gehört zur sozialen Verantwortung von Unternehmen, Forschung und Fortschritt zu fördern.

Karin Thelen – Die Stadtwerke München arbeiten ebenfalls mit der UnternehmerTUM zusammen, und ich sehe es ganz ähnlich. Wir brauchen einen neuen Pioniergeist, das heißt eine positive Grundhaltung, mit der man an Projekte herangeht. Mit Blick auf die Vergangenheit sind wir doch ein Volk der Unternehmer und Ingenieure. Da müssen wir wieder hinkommen, denn nur wer mutig ist und neue Dinge ausprobiert, hat Erfolg. Bei allen Herausforderungen darf man nicht vergessen, dass in der Energiewende auch Chancen für zahlreiche Innovationen und neue Geschäftsmodelle liegen. In dieser Hinsicht können wir uns durchaus ein wenig von der amerikanischen Mentalität abschauen, die Neuem gegenüber aufgeschlossener ist und eher auf die Chancen als die Risiken blickt. US-Präsident Joe Biden hat es mit einem Statement, das er im Juni 2022 auf Twitter gepostet hat, gut auf den Punkt gebracht: „Wenn ich „Klima“ höre, denke ich an Arbeitsplätze. Gut bezahlte, hochwertige Arbeitsplätze, die dazu beitragen, den Übergang zu einer grünen Wirtschaft der Zukunft zu beschleunigen und ein nachhaltiges Wachstum auszulösen.“ Es gibt im gesamten Energie- und Mobilitätsbereich sehr viele Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Anbietern, Kommunen und Bürgern. Das Ziel Klimaneutralität erreichen wir nur gemeinsam. Und ich glaube, dass wir das schaffen können, wenn wir mit vielen kleinen Projekten anfangen.

Claudia Häpp – Wir haben genau diese Partnerschaften schon an vielen Stellen gestartet, weil es eben nicht allein geht. Energieerzeugung und -verbrauch sind ein System, in dem das eine das andere bedingt und kein Unternehmen und kein Verband alles regeln kann. Ähnlich wie die Reallabore der TUM haben wir mit dem E.ON Zukunftsland in den Gemeinden Arnsberg und Sundern ein wegweisendes Projekt. Dort wird das Zusammenspiel von innovativen Kundenlösungen und intelligenten Netzen getestet und für den deutschlandweiten Rollout vorbereitet. Dadurch gewinnt man Erkenntnisse, auf denen man aufbauen kann. Nicht durch das Lamentieren über Probleme, sondern nur durch das Machen werden wir es schaffen.

Jacob Neuhauser

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RUNDER TISCH – KLIMANEUTRALE ENERGIE

Die Stadt München möchte bis 2035 klimaneutral werden, der Freistaat Bayern bis 2040. Um diese ehrgeizigen Ziele zu erreichen, ist der rasche Ausbau von erneuerbaren Energien und Verteilnetzen erforderlich. Dafür notwendig ist unter anderem die Ausbildung von Fachkräften, um von der Planung schneller ins Handeln zu kommen.

1 – Aktuelle Herausforderungen der Energiewende2 – Wer soll die Energiewende bezahlen?3 – Wie Klimaneutralität erreicht werden kann

Der runde Tisch teilnehmer

  • DETLEF FISCHER

    DETLEF FISCHER

    ist seit Mai 2022 Hauptgeschäftsführer des Verbands der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (VBEW) in München. 

    Der gelernte Maschinenschlosser arbeitete nach seinem Maschinenbaustudium zunächst im Sicherheitswesen für die Kernkraft der Bayernwerk AG. 2001 wechselte er zum VBEW, dessen Geschäftsführung er 2008 übernahm.

  • Dr. Claudia Häpp

    Dr. Claudia Häpp

    ist seit Juni 2023 Senior Vice President Solutions Excellence bei E.ON Deutschland in München. 

    Die Ökotrophologin kam bereits während ihrer Dissertation zum Thema „Smart Home“ in Kontakt mit der BSH Hausgeräte GmbH, für die sie im Anschluss arbeitete. Im Mai 2018 wechselte sie zu E.ON Deutschland, wo sie sich für nachhaltige Produkte und Services einsetzt. 

  • Pascal Lang

    Pascal Lang

    ist seit Mai 2014 Vorstandsvorsitzender der EnergieGenossenschaft Inn-Salzach eG (EGIS eG) in Neuötting.

    Seit 2020 ist er hauptamtlicher Geschäftsführer der EGIS Verwaltungs GmbH. Nach seinem Diplom-Geographie-Studium in Heidelberg arbeitete er fast fünf Jahre als Projektmanager in einem Ingenieurbüro. 2012 wurde er Energie- und Klimaschutzmanager des Landkreises Altötting und baute die EGIS eG mit auf.

  • Dr.-Ing. Christoph Pellinger

    Dr.-Ing. Christoph Pellinger

    ist seit September 2021 Geschäftsführer der Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V. (FfE) in München. 

    Er studierte Physik an der TU München, begann 2011 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der FfE und promovierte 2016 in der Energiesystemanalyse an der TU München. Anschließend übernahm er die Stelle der strategischen Projektentwicklung.

  • Timo Sillober

    Timo Sillober

    ist seit März 2023 CEO der Energiekonzepte Deutschland GmbH in Leipzig. 

    Nach seinem Studium an der LMU zum Diplom-Kaufmann arbeitete er zunächst im IT-Bereich bei Siemens und Vodafone, ehe er 2016 zur EnBW Energie Baden-Württemberg AG wechselte. Dort war er hauptverantwortlich für den Ausbau des größten Schnellladenetzes für E-Autos in Deutschland. 

  • Dr. Karin Thelen

    Dr. Karin Thelen

    ist seit Juni 2023 Geschäftsführerin Regionale Energiewende der Stadtwerke München (SWM).

    Die gebürtige Münchnerin ist promovierte Biologin und hat berufsbegleitend einen wirtschaftswissenschaftlichen MBA-Abschluss erworben. Sie arbeitet seit elf Jahren bei den SWM, zuletzt mehrere Jahre als Leiterin der Technischen Qualitätssicherung.

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