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2. Herausforderungen für Organisationen und Unternehmen
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Runden Tisch zum IT-Standort Bayern diskutierten Ende November – selbstverständlich unter Einhaltung der strengen 2G Plus-Regeln – in der Panorama Lounge des Süddeutschen Verlages.
Herr Zuchtriegel, Sie leiten die IT bei der Bayerischen Versorgungskammer, einer Institution, die sich von der Privatwirtschaft unterscheidet. Wie wichtig ist die Digitalisierung für die BVK?
Günter Zuchtriegel – Informationstechnologie ist für unser Geschäft existenziell, da unterscheiden wir uns nicht von der Privatwirtschaft. Das manifestiert sich auch an der Vielzahl von Digitalisierungsmaßnahmen, die wir laufend durchführen. Und um zukünftig noch besser aufgestellt zu sein, richten wir derzeit unsere gesamte IT komplett neu aus. Wenn bei uns eines der zentralen Systeme ausfällt, dann steht praktisch das gesamte Unternehmen still. Man kann heute keine Verwaltung oder Versicherung auch nur einen Tag aufrechterhalten, wenn die IT-Systeme nicht funktionieren. Dementsprechend muss man dafür Sorge tragen, dass das nicht passiert. Hinzu kommen Portallösungen, um den Service für die Kunden zu verbessern. Zum Beispiel, damit sie die Korrespondenz elektronisch abwickeln, Dokumente hochladen oder ihre Rentenvorsorge selbst berechnen können, um ihre freiwilligen Zuzahlungen anzupassen. Das ist heute neben der normalen Basisarbeit, um die Bestandssysteme am Laufen zu halten, sehr wichtig. Darüber hinaus ist die BVK mit fast 100 Milliarden Euro Kapitalanlagevermögen ein großer Investor, weshalb wir unsere IT auch zur Aktien-, Fonds- und Immobilienverwaltung einsetzen. Und so kann die BVK Mitarbeitern auch recht schnell Wohnraum vermitteln, der allerdings nicht viel günstiger ist als der marktübliche Preis. Aber in München ist es schon ein Vorteil, Mitarbeitern überhaupt Wohnungen anbieten zu können.
Frau Wöhler, ist der Digitalisierungsdruck in der Gesundheitsbranche genauso hoch?
Claudia Wöhler – Dieser Druck herrscht auf verschiedensten Gebieten im Gesundheitswesen. Zuletzt wurde in den Medien viel über die elektronische Patientenakte ePA diskutiert. Sie wird persönlicher Lotse für alle gesetzlich Krankenversicherten in Deutschland sowie Fundament für die sektorenübergreifende Digitalisierung des Gesundheitssystems und damit sämtliche Leistungserbringer, also von den Krankenhäusern über die niedergelassenen Ärzte bis hin zu den Apotheken und Pflegeeinrichtungen. Die eklatanten Defizite bei der Digitalisierung im Gesundheitsbereich in Deutschland sind überdeutlich. Da sind wir Entwicklungsland, weil diese Akteure bei uns nicht ansatzweise digital miteinander vernetzt sind. Diese Informationslücken gilt es zu schließen. Wir schaffen momentan die Ausgangsbasis für einen disruptiven Wandel im Gesundheitswesen, damit am Ende Patienten und Ärzte sowie Pflegebedürftige und Einrichtungen in Echtzeit miteinander vernetzt sind. Das heißt, der Notarzt weiß sofort, welche Medikamente der Patient nimmt und ob er chronische Krankheiten oder Allergien hat, die bei der Behandlung berücksichtigt werden müssen. Die Digitalisierung kann hier bei der Kommunikation und Versorgung der Menschen für einen enormen Qualitätsschub sorgen.
Esther Löb, Director Talent Acquisition und VP Learning & Development bei Rohde & Schwarz, hält die für Kontakte zu Studierenden genutzte Zeit für gut investiert. Aus den Absolventen würden später umso eher Mitarbeiter, da sie das Unternehmen bereits kennen. Foto:The Point of View Photography
Gibt die Corona-Pandemie jetzt den entscheidenden Anstoß, hier etwas zu tun?
Claudia Wöhler – Das hoffe ich. Die Pandemie zeigt die Probleme, die fehlende Daten bei der Seuchenbekämpfung und Kommunikation gegenüber der Bevölkerung verursachen. Wir brauchen einen Wandel in der Versorgung. Die Menschen kaufen digital ein und erledigen ihre Bankgeschäfte online. Es gibt heute kaum noch einen Bereich, an dem die Digitalisierung vorbeigeht. Im Gesundheitswesen passiert bereits sehr viel, auch wenn es einige Akteure gibt, die sich dagegenstemmen, wie bei der elektronischen Patientenakte. Man kann sich heute online informieren, und es gibt sehr gute Datenbanken, um Gesundheitsbeschwerden zu analysieren und zu erfahren, ob man zum Arzt gehen sollte oder nicht. Die Pandemie hat allerdings auch den Personalmangel offengelegt. Entsprechende Online-Angebote können hier Abhilfe schaffen. Wir brauchen entweder mehr Personal oder digitale Lösungen, um fehlende Mitarbeiter zu ersetzen und die vorhandenen weiterzubilden.
Herr Ringmayr, gibt es bei der Polizei ebenfalls Probleme mit internen Widerständen gegen Digitalisierungsmaßnahmen?
Georg Ringmayr – Bei uns herrscht das geflügelte Wort vom polizeilichen Gegenüber, das uns immer wieder herausfordert. Soll heißen: Kriminelle versuchen laufend, uns technologisch einen Schritt voraus zu sein, sodass wir gezwungen sind, entsprechend zu reagieren. Das heißt, für uns stellt sich die Frage, ob wir IT im polizeilichen Alltag anwenden, gar nicht. Der Einsatz von IT ist für die Verbrechensbekämpfung essentiell. Wir haben in den vergangenen fünf Jahren enorme Fortschritte bei der mobilen Verfügbarkeit von Daten gemacht. Momentan verfügt die bayerische Polizei im Programm Mobile Police über 22.000 Smartphones und 11.000 Convertibles oder Notebooks. Man merkt dabei auch den Generationenwechsel, denn bei den jeweils rund 1.700 bis 1.800 Nachwuchskräften, die derzeit jedes Jahr zu uns kommen, ist der Umgang mit digitalen Geräten Teil der Ausbildung. Wenn die dann auf ihre erste Dienststelle kommen, fragen sie nach Smartphone und Tablet und ziehen die älteren Kollegen mit.
„KRIMINELLE VERSUCHEN LAUFEND, UNS TECHNOLOGISCH EINEN SCHRITT VORAUS ZU SEIN,
SODASS WIR REAGIEREN MÜSSEN.“
Für welche Aufgaben brauchen Sie IT-Kräfte?
Georg Ringmayr – Da gibt es drei unterschiedliche Bereiche. Die IT in der Anwendung stellt sicher, dass Identitätsfeststellungen und Fahndungsabfragen elektronisch erfolgen und Anzeigen digital aufgenommen werden können. Wenn man früher einen Bus kontrolliert hat, musste man jeden Ausweis einsammeln und über den Streifenwagen per Funk abfragen. Heute kann der Polizist im Bus die Ausweise scannen und erhält sofort die Informationen. In der Forensik setzen wir die Technik ein, um Handys von Kriminellen zu knacken oder Daten von sichergestellten Festplatten zu analysieren. Bei den IT-Kriminalisten, landläufig oft als Cybercops bezeichnet, geht es um die Bekämpfung von Computer- und Internet-Kriminalität wie Kreditkartenbetrug und Hackerangriffe. Das sind Informatik-Spezialisten, die in einer einjährigen polizeifachlichen Unterweisung zu Polizeivollzugsbeamten weitergebildet werden. Wir bieten heute moderne Arbeitsplätze und spannende Aufgaben. Apps für den Polizeidienst zu programmieren, kommt gerade bei den jungen Bewerbern ausgesprochen gut an.
Günter Zuchtriegel – Die Akzeptanz der IT ist auch deshalb größer geworden, weil sie mehr auf die Customer Experience achtet. Es geht heute um den konkreten Nutzen für Mitarbeiter und Kunden sowie um eine schnelle und einfache Bedienbarkeit von Anwendungen. Früher hat die IT mehr auf die Technik geachtet, und der User musste dann irgendwie damit klarkommen. Das hat sich praktisch ins Gegenteil verkehrt.
Jörg Ochs – Wir können mithilfe digitaler Lösungen Probleme angehen, die vorher kaum zu knacken waren. Das älteste Netz der Stadtwerke München ist das Wasserversorgungsnetz, bei dem manche Leitungen bis zu 200 Jahre alt sind. Die können wir mangels Kapazitäten der Baufirmen gar nicht so schnell ersetzen, wie wir das gerne tun würden. Da kommt es natürlich immer wieder zu undichten Stellen, die wir dadurch auffinden, dass ein Suchtrupp mit Stethoskopen die Leitungen abgeht und nach typischen Leckage-Geräuschen abhört. Wir haben vor drei Jahren ein Projekt mit der LMU durchgeführt, um solche undichten Stellen mithilfe künstlicher Intelligenz aufzuspüren, die sie für uns quasi „hört“.
Wie sieht das Zusammenspiel von IT- und Fachabteilungen aus?
Jörg Ochs – Pro Jahr setzen wir rund 200 IT-Projekte um, darunter viele Applikationen und Neuentwicklungen. Die Hälfte davon wird agil erstellt, das heißt mit einem verantwortlichen Product Owner im Fachbereich. Es gibt aber auch Abteilungen, in denen es an der Akzeptanz für solche Methoden fehlt. Das gleiche gilt für die Einbeziehung von Fachbereichen oder sogar Kunden für einfache Programmierungen, für die uns in der IT die Kapazitäten fehlen. Bei uns darf sich jeder Mitarbeiter kleine Workflows bauen und dafür Daten aus dem SAP-System ziehen. Die Einstellung von Daten in das System wird von uns allerdings geprüft, denn es ist wichtig, die Hoheit über die Daten zu behalten. Der Worst Case wäre es, wenn ein Mitarbeiter eine kritische Application verwendet, irgendwann kündigt und niemand im Unternehmen mehr nachvollziehen kann, was er da programmiert hat. Es bedarf eines Kulturwandels, um das Zusammenwirken von IT und Fachbereichen zu verbessern.
Frau Löb, brauchen Sie in Ihrem Unternehmen auch so einen Kulturwandel, weil Rohde & Schwarz ursprünglich von der Hardware-Seite kommt und jetzt die Software dominiert?
Esther Löb – Die Anforderungsprofile der Mitarbeitenden, die wir heute einstellen, sehen anders aus als vor zehn oder zwanzig Jahren. Dieser Wandel hin zur Software hat sich allmählich vollzogen. Vor zwei Jahren haben wir bei einer Auswertung festgestellt, dass wir inzwischen mehr Software-Spezialisten einstellen, obwohl wir immer noch ein Hardware-orientiertes Unternehmen sind. Die gute Kooperation mit Universitäten sowie unsere internationalen Standorte helfen uns dabei, überall in der Welt Mitarbeiter rekrutieren zu können. In unseren internationalen Entwicklungsteams wird Englisch gesprochen, und das erleichtert die Suche ebenfalls. Als Unternehmen, das ursprünglich aus der Nachrichten- und Elektrotechnik kommt, merken wir, dass auch die Studiengänge in den klassischen technischen Fächern immer mehr IT-Inhalte vermitteln. Das ist gut für uns, denn die Absolventen kennen uns und verfügen schon über entsprechende Kenntnisse, wenn sie sich für uns entscheiden. Parallel konzentrieren wir unser Personalmarketing verstärkt auf IT-Studenten. Denen zeigen wir, welche spannenden Projekte und Aufgaben sie bei uns erwartet, denn das ist es, was sie am meisten interessiert. Wir erleben, dass wir die Talente mit unseren Zukunftsthemen absolut begeistern können, etwa bei 6G, Quantentechnologie, künstlicher Intelligenz und Cloud. Dass wir ein Familienunternehmen und kein von Quartalszahlen getriebener IT-Gigant aus den USA sind, spielt für manche ebenfalls eine Rolle. Wir können bislang auch im Software-Bereich unsere Stellen überraschend gut besetzen.
Die Trennung von Business und IT ist ein Auslaufmodell, meint Markus Hertrich, Leiter des Bereichs Informationstechnologie bei Brunata-Metrona. Er geht davon aus, dass bei vielen Unternehmen das operative mit dem digitalen Geschäft zusammenwachsen wird. Foto: The Point of View Photography
Die Stärke der Polizei sei es, ein regionales Unternehmen mit großer Flächendeckung in Bayern zu sein, sagte Georg Ringmayr, IT-Chef der Bayerischen Polizei. Dadurch können die Aufgaben regional im Freistaat IT-Mitarbeiter verteilt werden. Foto: The Point of View Photography
Herr Hertrich, Sie arbeiten ebenfalls für ein Familienunternehmen. Erleben Sie das bei Bewerbern auch als Vorteil?
Markus Hertrich – Die Erfahrung von Frau Löb kann ich voll und ganz bestätigen. Durch unser außerordentliches Engagement an Schulen und Hochschulen, wo wir den Erstkontakt herstellen, haben wir bei den jungen Leuten weniger Probleme, die Stellen zu besetzen. Bei uns ist es eher eine Frage des Bekanntheitsgrades, da die Leute die Brunata-Metrona nicht automatisch mit einem professionellen und qualifizierten IT-Anbieter von Business- und IT-Lösungen auf höchstem Niveau in Verbindung bringen. Wenn Bewerber zum Einstellungsgespräch zu uns kommen, entscheiden sie sich zu fast 90 Prozent für uns. Wir verbinden die Vorteile eines etablierten, familiengeführten Unternehmens und sicheren Arbeitgebers, bei dem der Mensch zählt, mit modernster IT, aktuellen Themen und herausfordernden Projekten. Wir als Familienunternehmen denken und handeln langfristig, zeichnen uns aber gleichzeitig durch eine hohe Flexibilität und Agilität aus. Zusätzlich hat die IT bei uns einen sehr hohen Stellenwert. IT Kollegen können selbst aktiv gestalten und sehr schnell Verantwortung übernehmen. Nicht nur deshalb liegt die Fluktuation bei uns in der IT bei rund drei Prozent. Wir punkten auch mit attraktiven Themen. So tragen unsere Messtechnik und unsere Dienstleistungen zur Energieeinsparung, zum Klimaschutz und zur Nachhaltigkeit bei. Traditionsunternehmen wie Rohde & Schwarz oder Brunata-Metrona bauen zur ursprünglichen Kompetenz eine weitere Kernkompetenz im Bereich IT auf, um die Digitalisierung aktiv zu gestalten und neue Geschäftsfelder zu erschließen. Das gilt praktisch für alle Unternehmen, die nicht unmittelbar aus dem IT-Umfeld kommen. In vielen Fällen wird das bisherige operative Geschäft mit dem digitalen Geschäft zusammenwachsen, und die klassische Trennung von Business und IT gehört der Vergangenheit an.
Ralf Malter – Ich bin seit 25 Jahren in der IT-Beratung tätig und finde diese Entwicklung sehr spannend. Früher ging es nur darum, ob und wie ein Server installiert wird. Jetzt dreht es sich in den Beratungsgesprächen um die Geschäftsmodelle und die Wertschöpfungskette eines Unternehmens. Nehmen Sie zum Beispiel die Automobilindustrie und die Entwicklung des autonomen Fahrens. Wir hatten vor kurzem ein Projekt, bei dem es darum ging, dass Autos im Parkhaus selbst zum nächsten freien Stellplatz fahren. Die Entwicklung der digitalen Transformation verändert auch die Wahrnehmung von IT-Beratung, weil es um erlebbare Anwendungen mit einem klar verständlichen Nutzen geht. Wir helfen Unternehmen mit IT-Lösungen, den Sprung in die digitale Geschäftswelt zu meistern und gleichzeitig gesellschaftliche Probleme zu lösen. Das kommt uns bei Gesprächen mit Bewerberinnen und Bewerbern zugute, denen es wichtig ist, eine sinnhafte Tätigkeit auszuüben.
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