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9 Tipps gegen den IT-Fachkräftemangel
Bayern ist zwar nicht das Bundesland mit der größten Dichte an IT-Spezialisten. Das ist Hamburg. Aber mit 3,1 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten als Informatiker oder in anderen IT-Berufen liegt der Freistaat im oberen Mittelfeld. Dank der nebenstehenden Tipps könnten es bald mehr sein. Foto: The Point of View Photography
Der Mann spricht vielen aus der Seele. „Der Druck war noch nie so hoch wie heute“,seufzt Jörg Alexander Breiski, Managing Director und Partner bei Kienbaum im Büro München. Über alle Branchen hinweg fehlten IT-Fach- und -Führungskräfte, fasst der Headhunter das womöglich folgenschwerste Personalproblem dieser Zeit in kurze Worte. Ohne Programmierer und IT-Spezialisten lässt sich die Digitalisierung technisch nicht umsetzen, und ohne umsetzungsstarke Innovationsvorantreiber und Kulturgestalter auf den oberen Führungsebenen gehen die Bemühungen womöglich am Ziel vorbei.
Längst ist es keine Frage mehr, ob sich ein Unternehmen auf den digitalen Weg macht, sondern wie und mit wem. Welche Formen die digitale Transformation in einem Betrieb annimmt, reicht von Robotern in menschenleeren Produktionshallen bis hin zu Algorithmen, die die Routenplanung für Logistikunternehmen optimieren. Der Notstand beträfe fast alle Unternehmen, sagt Breiski. Denn: „Bei der Transformation wächst branchenübergreifend alles zusammen: Digitalisierung und Prozessautomatisierung, Software für Internetanwendungen und Industrie 4.0, künstliche Intelligenz und Datensicherheit.“ Die ganze Welt ruft nach Computerkönnern und Managern, die ihr Know-how gezielt in Markterfolge verwandeln. Manche Uhren gehen in Bayern anders. Aber die Digitalisierung tickt hier genauso erbarmungslos wie anderswo.
Wobei man relativieren muss: Für aufgeweckte junge Leute ist die Knappheit an IT-Professionals eine feine Sache. Mit einer einschlägigen Berufsausbildung ist man der König unter den Nicht-Akademikern und verdient häufig schon als Berufseinsteiger mehr als die meisten Geistes- oder Sozialwissenschaftler. Und wer seinen Informatik-Abschluss an der Hochschule macht, kann sich die Bewerbung ganz sparen. Spätestens in der Praktikumsphase, also etwa ab dem 5. Semester, wird an den Hochschulen rekrutiert, was das Zeug hält (Tipp 1).
Die fünf heißesten IT-Berufe
Welche Tätigkeiten 2022 besonders gefragt sein werden und mit welchen Gehältern Bewerber rechnen können, zeigt die folgende Gehaltsübersicht:
* Jeweils 50 Prozent der von den befragten Unternehmen erwarteten Einkommen liegt darunter bzw. drüber. Quelle Bitcom/Robert Half
Im Wintersemester 2020/21 waren in Deutschland knapp 134.000 Studierende im Fach Informatik eingeschrieben. Erfahrungsgemäß wird nur etwa ein Viertel bis zum Ende durchhalten – 2019 meldete der Verein Deutscher Ingenieure (vdi) rund 29.000 Absolventen –, aber wer sein Abschlusszeugnis bekommt, steht vermutlich längst unter Vertrag. Spätestens nach der Anfertigung der Bachelorarbeit, für die sich die Unternehmen gern als Kooperationspartner anbieten (Tipp 2), sind die Sicherheitsorientierten für den Arbeitsmarkt verloren.
Erst mal jedenfalls, denn auch IT’ler stehen bisweilen ohne Arbeit da. Laut dem Frühjahrsreport 2021 des Instituts der deutschen Wirtschaft gab es im April 2021 in den MINT-Berufen rund 359.000 offene Jobs. Aber nur 228.500 Personen, die gern einen solchen Beruf ausüben, waren überhaupt arbeitslos gemeldet. Wer sich traut, zwei Teilzeitkräfte auf einen Job zu setzen oder auf 30 Prozent des Stellenanforderungsprofils zu pfeifen und selbstbewusst sagt: „Den zieh‘ ich mir schon ran“, findet hier so manche Perle (Tipp 3).
Weil das nicht viele tun, spricht die Bundesagentur für Arbeit von einem dauerhaften Bedarfsüberhang von rund 20.000 Fachkräften, vor allem in der Softwareentwicklung. Dem Digitalverband Bitkom ist diese Zahl nicht spektakulär genug: 86.000 IT-Spezialisten fehlten, klagte der Verband Ende 2020, und aktuell wird es kaum anders sein. Was einem Arbeitgeber in Rosenheim herzlich egal sein kann, der händeringend einen, nur einen SAP FI-Experten sucht oder einen neuen Leiter für sein Rechenzentrum. Wenn das (w/m/d) in der Stellenanzeige und das erwachte Freizeitbedürfnis der jungen Leute ernst gemeint wird, ist das der heiße Tipp Nummer 4.
Jede Lücke in der Workforce wirft die Digitalisierung zurück. „Der IT-Fachkräftemangel gefährdet den Wirtschaftsstandort Bayern massiv“, warnt Timo Lehne, Deutschlandchef von SThree, eine auf IT spezialisierte Personalberatung aus England. „Viele Unternehmen laufen Gefahr, dass die existenzsichernde digitale Transformation ins Stocken gerät, weil die Leute fehlen.“ Was einem als erstes einfällt, nämlich höhere Gehälter zu bieten, sei keine Lösung. „Fakt ist: Es gibt schlicht zu wenige IT-Fachkräfte im Vergleich zum Bedarf“, sagt Lehne. „Jemanden, den es nicht gibt, kann man auch nicht mit mehr Geld locken.“ Aber den einen oder anderen kann man damit schon der Konkurrenz abspenstig machen (Tipp 5).
Nur braucht man nicht nur Mitarbeiter mit brandneuem Hochschulwissen, sondern auch Führungskräfte, die das Know-how der Jungen in die richtigen Wege leiten. „Die Verfügbarkeit der technischen Skills ist gar nicht das Nadelöhr“, sagt Jörg Breiski. Was die Unternehmen brauchten, seien Manager, die Organisationen zukunftsfähig aufstellen und führen können. „Sie müssen neben der technologischen auch die kulturelle Transformation und neue Formen von Führung und Kommunikation realisieren können“, sagt der oberste Kienbaum-Personalberater. „Wir brauchen nicht die Supertechnologieexperten, sondern Führungskräfte, die Leadership und Transformation in Exzellenz beherrschen, um Organisationen und die Menschen darin auf die nächste Entwicklungsstufe zu bringen.“ Vielen Aufsichtsräten und Beiräten sei dies zwischenzeitlich mehr als bewusst. Das hört der Headhunter immer wieder in den Briefings seiner Auftraggeber.
Bedauerlicherweise habe die Attraktivität von Positionen im Top Management merklich nachgelassen. „Auch Spitzenkräfte haben während der Pandemie gelernt, wie gut die virtuelle Zusammenarbeit funktioniert und welche Vorteile sie mit sich bringt, auch für das Privatleben“, sagt der Personalberater. „Daraus leiten sie neue Anforderungen ab, wie zum Beispiel eine bestimmte Anzahl von Tagen von zu Hause arbeiten zu können.“ (Tipp 6) Unternehmen hingegen erwarteten immer noch eine hohe Präsenz. Kann man sich auf halber Strecke entgegenkommen? „Das ist schwierig“, sagt Breiski. „In vielen Fällen finden wir die Kompromisslinie nicht. Es sei denn, der Schmerz bei den Unternehmen ist so hoch, dass sie auf Forderungen der Kandidaten eingehen.“
Was den Mangel an IT-Fach- und Führungskräften weiter vertiefe sei die fehlende Umzugsbereitschaft der Kandidaten. „IT-Fachkräfte sind nicht besonders mobil“, sagt Breiski. „In den Einkommensgruppen bis 150.000 Euro war es noch nie leicht, Leute in das teure München zu bewegen.“ In den Corona-Jahren habe sich das noch mal verschärft. Der Berater: „Über einen Standortwechsel braucht man häufig mit IT-Fach- und Führungskräften gar nicht mehr zu sprechen.“ Also warum sie nicht remote, nämlich von zu Hause arbeiten lassen (Tipp 7)? Manche IT-Unternehmen beschäftigen nur noch einen kleinen Teil ihrer Mitarbeiter am Unternehmensstandort. Wozu ist die ganze Digitalisierung denn gut, wenn nicht genau dafür?
Kommen wir zum Schluss noch mal zum Geld. Überraschung: Gerade jungen Führungskräfte ist das gar nicht so wichtig. Stattdessen fordern sie Entscheidungsfreiheit und Selbstbestimmung bei der Arbeit. „Und Purpose‘“, ergänzt Jörg Breiski. „Die Leute wollen sich in den Dienst einer guten Sache stellen, also für ein Unternehmen arbeiten, das etwas Sinnvolles für die Gesellschaft tut.“ (Tipp 8). „Die Menschen legen immer mehr Wert auf den Sinn ihrer Arbeit“, bestätigt der Timo Lehne. „Unternehmen, die das plus flexible Arbeitsbedingungen bieten, haben die Nase vorn, denn das setzen Young Talents heute voraus.“ Sind sich die Arbeitgeber dessen bewusst? Haben sie ihren Purpose herausgearbeitet, so dass die Berater den Kandidaten Argumente an die Hand geben können? „Die Diskussion gibt es in vielen Häusern“, sagt Breiski. „Aber mein Eindruck ist, dass sich nur sehr wenige wirklich ernsthaft und glaubhaft mit dem Thema auseinandergesetzt haben.“
Sollten trotz aller Tipps immer noch IT-Stellen ihrer Besetzung harren, bleibt den Unternehmen nichts anders übrig, als die Digitalisierung mit ihren eigenen Waffen zu schlagen und kluge Köpfe durch angelernte Kunstköpfe zu ersetzen. „Ich bin überzeugt, dass Automatisierung mit kollaborierenden Robotern hilft, dem IT-Fachkräftemangel in der produzierenden Industrie entgegenzuwirken“, versichert Andrea Alboni, General Manager Western Europe bei Universal Robots. „Die sind sehr intuitiv zu programmieren, so dass Mitarbeitende dafür keine speziellen IT-Fachkenntnisse benötigen. Und dank KI können Roboter ohne Programmierung schnell für neue Aufgaben trainiert werden.“ Das war Tipp 9. Na also. Geht doch.
Karen Engelhardt
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