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Gott mit Dir, du Land der Techis
Die Zukunft ist nicht mehr digital: Der Quantencomputer von IQM rechnet mit supraleitenden Qubits. Das Bild zeigt die Apparatur, die den Chip kühlt. Foto: IQM Quantum Computer
Manchmal ist es tröstlich, vom Ende her zu denken. Seitdem feststeht, dass im Leibniz-Rechenzentrum in Garching bei München bald ein Quantencomputer aus Finnland stehen wird, ist das Ende der Digitalisierung absehbar. „Computer und Netzwerke haben unser Leben grundlegend verändert. Doch nach Jahrzehnten rasanter Entwicklung sind Grenzen dieser Technologie erkennbar“, sagt David DiVincenzo, Physiker und Professor am Jara-Institute for Quantum Information an der RWTH in Aachen. „Sobald das Leistungsspektrum klassischer Rechner ausgeschöpft ist, wird ein fundamental neuer Ansatz nötig.“
Der liegt mit den superschnellen Qubits in der Luft oder korrekt: im Hochvakuum. Anders als die digitalen Bits, die mit „Strom ein“ und „Strom aus“ gerade mal zwei Zustände kennen, sind die quantenmechanischen Teilchen unendlich wandlungsfähig. Das eröffnet bislang ungeahnte Möglichkeiten für die superschnelle Datenverarbeitung. Doch bevor die Münchner Neuerwerbung nun diejenigen Hoffnung schöpfen lässt, die noch dem Digitalisierungszug hinterherrennen („Dann nehmen wir halt den nächsten“), sei gewarnt: Es wird noch ein paar Jahrzehnte dauern, bis Quantencomputer die Schaltschränke in den Rechenzentrum ablösen. Die notwendige Kontrolle der kapriziösen Qubits bei minus 273 Grad Celsius spricht auch nicht unbedingt für ihre baldige Miniaturisierung auf Desktop-Format. Vorerst müssen wir uns also mit der Digitalisierung behelfen. Und an die müssen die Nachzügler nun wirklich ran.
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Es gibt heute kaum noch eine Branche, in der die Informations- und Kommunikationstechnologie (ITK) keine bedeutende Rolle als Wachstumstreiber spielt. Deshalb ist dieser Wirtschaftszweig für die bayerische Wirtschaft so wichtig. Ein Großteil der ITK-Unternehmen hat sich in Bayern angesiedelt, und das nicht nur in der Landeshauptstadt, sondern auch in vielen anderen Städten. Bei den Glasfaseranschlüssen lag Bayern Ende 2019 bundesweit auf dem dritten Rang. 928 bayerische Kommunen können mindestens 80 Prozent ihrer Haushalte mit Geschwindigkeiten von 100 Mbit/s oder mehr versorgen. Die Wertschöpfung mit digitalen Produkten und Dienstleistungen liegt bei 500 Milliarden Euro. Darauf ist die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) zu Recht stolz, warnt aber vor einem Nachlassen der Dynamik. „Wir müssen bei der digitalen Transformation am Drücker bleiben“, fordert Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt und legt die Latte hoch: „Mitspielen alleine reicht nicht. Unser Ziel muss der Titel sein.“
Die Wirtschaft nickt und verspricht, nicht vom Wachstumspfad abzuweichen. Die Chancen sind gut, denn von der Hebelkraft der Informations- und Kommunikationstechnik profitieren alle Industrien. Überall steigt der IT-Anteil: in Autos und Flugzeugen, in Herzschrittmachern und Dialysegeräten, in Landmaschinen und in Kuscheltieren für die Kleinsten. Bis 2023 wird der Umsatzanteil, den die Unternehmen in Bayern mit digitalen Produkten und Dienstleistungen machen, auf mindestens 30 Prozent steigen. 2018 lag er noch bei einem Fünftel.
Dabei hilft die gut ausgebaute Hochschullandschaft in Bayern, in der Bits und Bytes und bald auch die Qubits entweder die Haupt- oder eine tragende Nebenrolle spielen. Auf dem Campus Garching sind gleich mehrere ingenieur- und naturwissenschaftliche Fakultäten der Technischen Universität München, Einrichtungen der Ludwig Maximilians-Universität und der Max-Planck-Gesellschaft vereint. Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, die Hochschulen in Augsburg, Ingolstadt, Regensburg, Bayreuth, Passau, Bamberg und Deggendorf stehen in den Rankings weit oben. Und in der Gunst der Studierenden aus aller Welt sowieso.
Letztlich ist es ein sich selbst verstärkender Kreislauf:IT-Fachkräfte zieht es dahin, wo die Unternehmen sind, und die Unternehmen dorthin, wo die IT-Spezialisten sind. „Wir finden hier Talente, die wir anderswo nicht finden würden“, sagte Apple-Chef Tim Cook über Bayern. Die Deutschlandzentrale von Microsoft steht in München. Die Deutschlandzentrale von Amazon steht in München. Google: der mit Abstand größte deutsche Standort liegt mitten in München. Apple baut massiv aus, wo wohl, natürlich in München.
Bayern ist auch deshalb so attraktiv, weil es hier wirtschaftliche Cluster gibt, die von der Digitalisierung besonders profitieren: Automotive, Luft- und Raumfahrt, Medizintechnik, Sensorik, Leistungselektrotechnik und viele andere. Eine wichtige Rolle spielt die Multimediabranche, die überall in Bayern mit Verlagen, Film- und Fernsehproduktionsfirmen sowie Dienstleistern für Webdesign oder App-Entwicklung präsent ist. Hinzu kommen Zehntausende von Zulieferbetrieben und selbstständigen Kooperanden.
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Die Bayerische Staatsregierung fördert im Rahmen ihrer Clusterpolitik den Betrieb von 17 landesweiten Plattformen in Hightech-Industrien und traditionellen Schlüsselbranchen der hiesigen Wirtschaft. Zentrale Aufgabe dieser Clusterplattformen ist es, Unternehmen untereinander und mit Forschungseinrichtungen zu vernetzen. Ziel ist es, die gesamte Wertschöpfungskette von der Forschung bis zum fertigen Produkt zu stärken, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu steigern, Forschungsergebnisse in Markterfolge umzusetzen und die Innovationsdynamik zu erhöhen.
Das gilt sowohl für klassische Wirtschaftszweige als auch für neue, gerade erst im Entstehen begriffene. Im November erst wurden mit der Vorlage der Roadmap „QuantenTech Vision Bayern“ Wege aufgezeigt, wie die hervorragende Ausgangssituation der bayerischen Quantenforschung in die industrielle Wertschöpfung überführt werden kann. „Quantentechnologien eröffnen der bayerischen Wirtschaft quer durch alle Branchen ein enormes Anwendungspotenzial“, sagt der Bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger. „Bereits heute beschäftigen sich zahlreiche Start-ups und Unternehmen aus dem Freistaat erfolgreich mit der Erforschung und Entwicklung von Quantentechnologien und zählen weltweit zur Speerspitze.“ Selbstbewusst fügt er hinzu: „Wir haben zum Ziel, dass zukünftige Technologien und Anwendungen aus Bayern kommen.“ Jan Goetze, Mitgründer und CEO des deutsch-finnischen Quantencomputer-Herstellers IQM, verspricht dem Campus Garching: „Gemeinsam werden wir vielversprechendsten Ansätze entwickeln.“ Klingt gut, ist aber noch weit weg. Für IT-Systemarchitekten gibt es momentan genügend andere Baustellen.
Karen Engelhardt
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