Transformation

Der grüne Umbau

Fossile Energien sind in der aktuellen Energiekrise gefragt. Doch ihre Zeit ist begrenzt, wenn klimaneutralen Energien die Zukunft gehören soll. Wie gehen etablierte Energieunternehmen mit dieser Herausforderung um, und welche Rolle werden sie in Zukunft haben?

Der grüne Umbau

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Wie transformieren sich Unternehmen, wenn ihre Produkte heute noch massiv nachgefragt sind, aber dennoch absehbar keine Zukunft mehr haben sollen? Eine Herausforderung, die beispielsweise Autobauer haben, die weiterhin mehr Fahrzeuge mit Kolbenmotoren als mit Elektroantrieben verkaufen. Für die Energiebranche gilt das Gleiche – ihre klassischen Produkte und Leistungen sind gefragt wie lange nicht. Dabei wissen alle Beteiligten, dass der Wandel hin zur klimaneutralen Wirtschaft unumkehrbar ist. Die Aufgabe besteht darin, einerseits die aktuelle Nachfrage nicht zu ignorieren, zugleich aber auch die Weichen für die Zukunft zu stellen. Denn ohne ein erfolgreiches Geschäftsmodell heute fehlen die finanziellen Mittel für Investitionen in erneuerbare Energieangebote für die mittel- und langfristige Sicherung.

Mit der Transformation drängen ganz neue Akteure und Unternehmen auf den Markt, ob in der Elektromobilität oder bei erneuerbaren Energien. Lange schien es so, dass die „Etablierten“ diese Entwicklung vernachlässigten, doch inzwischen arbeiten sie intensiv am Umbau und besinnen sich zugleich auf ihre Stärken. In der Mineralölindustrie liegen diese beispielsweise in einem hohen Maß an technologischem Know-how und einem eingespielten, internationalen Infrastruktur- und Logistiknetzwerk.

Auch Mineralölunternehmen setzen im Straßenverkehr auf grünen Strom

Daran wird angeknüpft und aufgebaut. So erweitern diese bisherigen Mineralölunternehmen derzeit ihre bestehende Infrastruktur und errichten beispielsweise immer mehr E-Ladepunkte. Nicht nur an ihren bereits bestehenden Tankstellen, sondern auch anderen Orten, wie etwa Supermarktparkplätzen. Dabei arbeiten sie an bedarfs- und anwendungsgerechten Optionen: von ultraschnellen Ladestationen an bis hin zur privaten Wallbox. Zudem gehen sie dafür unterschiedlichen Partnerschaften ein. Zum Beispiel mit Auto- und Lkw-Herstellern oder Einzelhandelsketten. Anders als oft vermutet, sind die „traditionellen“ Energieanbieter also nicht auf eine Energielösung beschränkt. Vielmehr setzen sie auf vielfältige Angebote, weil ihre Kunden heute und noch mehr in Zukunft ganz unterschiedliche Energieformen benötigen werden.

Energieimporte bleiben notwendig

All-Electric, also die alleinige Nutzung von erneuerbarem Strom, ist zwar effizient, macht aber zurzeit nur etwa 20 Prozent des Endenergiebedarfs aus Doch auch wenn in Deutschland die Nutzung von elektrischer Energie in Zukunft deutlich steigt und heimische Wind- und Solarkraft hochgefahren werden, werden wir hierzulande zur Deckung des gesamten Energiebedarfs auf Energieeinfuhren angewiesen sein. Insbesondere Importe aus Ländern und Regionen der Welt, in denen beispielsweise Wind, Sonne und Wasser deutlich reichhaltiger vorhanden sind als in den gemäßigten Breitengraden Deutschlands. Die Herausforderung: Aus weit entfernten Ländern kann Strom aus physikalischen Gründen nicht einfach per Leitung zu uns transportiert werden. Darum bietet es sich an diesen erneuerbaren Strom per Elektrolyse in Wasserstoff und möglicherweise in weitere Folgeprodukte umzuwandeln. So kann die Energie gespeichert und für den globalen Handel transportfähig gemacht werden. In diesem Prozess geht zwar relativ viel Energie verloren, doch bei einem Überfluss an Sonne, Wind oder Wasser wäre dieser Nachteil infolge der sehr günstigen Konditionen für elektrische Energie anderswo schnell kompensiert, zumal die so gewonnene Energie hierzulande sonst gar nicht nutzbar wäre Von Chile bis Australien, Norwegen bis Kanada, Westafrika bis Saudi-Arabien bereiten sich Länder auf diese neuen Energiequellen vor.

Die Rolle der heute noch fossilen Energiewirtschaft

Es ist kein Zufall, dass viele dieser künftigen Wasserstoffproduzenten heute schon Energie exportieren. Denn sie haben die Erfahrung mit großvolumigen Herstellungskapazitäten, Lagerung, und Transportlösungen. Und sie genießen aus jahrzehntelanger Partnerschaft im Energiehandel das Vertrauen als zuverlässiger Energiepartner. Dennoch sind große Investitionen und Anstrengungen notwendig. Erdgas-Pipelines und Leitungsnetze müssen an den Wasserstoff angepasst oder neu gebaut werden, neben der Kraftstoffproduktion sind künftig Elektrolyse-Anlagen gefragt. Bisherige Mineralöl- und Erdgas liefernde und produzierende Staaten und Unternehmen bereiten sich mit Projekten und Investitionen darauf vor: Saudi-Arabien zum Beispiel plant für 5 Milliarden Dollar Baukosten eine Anlage für die Produktion von grünem Wasserstoff. Doch auch Staaten, die bislang noch nicht massiv Energie exportiert haben, bereiten sich auf die neuen Chancen vor. Chile will bis 2030 der günstigste Hersteller von grünem Wasserstoff weltweit werden und bis 2030 einer der drei größten Wasserstoffexporteure bis 2040. Schon bis 2025 sollen beispielsweise 5 Gigawatt Elektrolyse-Kapazitäten entwickelt werden.

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Auch in Deutschland und Europa ist viel in Bewegung: Nahezu alle Unternehmen der heutigen Mineralölwirtschaft starten – zum Teil in größeren Partnerschaften und Konsortien – größere Projekte wie den Bau von Wasserstoff-Elektrolyse-Anlagen oder investieren in die Erzeugung und Nutzung von Strom zum Beispiel aus Offshore-Windparks in der Nordsee. Andere Projekte beschäftigen sich mit der Umstellung der Kraftstoffproduktion auf biobasierte Rest- und Abfallstoffe bis hin zu einer geschlossenen Kreislaufwirtschaft in der Wiederwendung von Plastikabfällen als Hersteller von Vorprodukten für die chemische Industrie. So entstehen unterschiedlichste Anlagen zur technologischen Weiterentwicklung sowie zum Ausbau der Produktion von Wasserstoff. Ebenso wird die Herstellung alternativen Fuels einschließlich Bio-LNG vorangetrieben für Lösungen, die insbesondere in der Industrie, Luft- und Schifffahrt sowie im Schwerkraftverkehr eingesetzt werden könnten, also in Anwendungen, wo ein direkter elektrischer Antrieb schwierig bis unmöglich ist.

Umbau erfordert Zeit und verlässliche Rahmenbedingungen

Doch es gibt noch Hindernisse. Eines sind bürokratische Hürden. Im Bereich Strom gibt es zum Beispiel fast 900 Verteilnetzbetreiber allein in Deutschland – und jeder hat andere Anforderungen. Das macht die Entwicklung der Ladeinfrastruktur nicht einfacher. Hinzu kommen zum Beispiel auch fehlende Netzanschlüsse, langwierige Genehmigungsprozesse sowie viel zu umständliche Förderprogramme. Ein anderes Hindernis ist die technische Machbarkeit, da viele der neuen Entwicklungen wie beispielsweise „Carbon Capturing and Storage“ (CCS) und „Carbon Dioxide Removal“ (CDR) zum Abfangen und Einlagern von CO-Emissionen noch in der Frühphase der Entwicklung stecken und in Deutschland erst seit kurzem auf politische Akzeptanz stoßen. Auch ist bislang erst ein Bruchteil der Produktionskapazitäten und der Infrastruktur für den Transport von Wasserstoff oder seiner Derivate wie Ammoniak vorhanden. Dennoch: Auch hier wird bereits engagiert geplant, und es entstehen vielerorts richtungsweisende Pilotprojekte. Allerdings fehlen noch an vielen Stellen von der Politik – trotz ehrgeiziger Ziele und Absichtserklärungen – die langfristigen und verlässlichen Rahmenbedingungen, damit Unternehmen mit der notwendigen Sicherheit im großen Maßstab in den Markthochlauf der Technologie und Produkte investieren können.

Auch wenn die „traditionelle Energiewirtschaft“ derzeit in der öffentlichen Wahrnehmung häufig noch für ein lukratives Geschäft mit fossilen Energien steht – die Branche hat sich bereits auf den Weg zur Klimaneutralität gemacht und wird sich deutlich verändern. Von den Investitionen der Unternehmen in den grünen Umbau profitiert die gesamte Energiewende. Denn von der Quelle bis zur „grünen“ Tank- und Ladesäule wird es in vielen Bereichen gemeinsam mit der „traditionellen“ Energiewirtschaft schneller gelingen können, klimaneutral zu wirtschaften.

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