Grüner Knopf
Lohn, der zum Leben reicht
Wenn wir ein T-Shirt für 29 Euro kaufen, bekommt die Frau, die es genäht hat, davon gerade mal 18 Cent – so die Fair Wear Foundation. Der in der Branche weit verbreitete Niedriglohn reicht nicht zum Leben. Dabei sind die Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland durchaus bereit, eine gerechtere Entlohnung zu unterstützen: Zwei Drittel würden mehr ausgeben für Kleidung von Modemarken, die den Beschäftigten in ihren Lieferketten gerechte Löhne zahlen.
Orientierung beim Shoppen
Aber wie erkennt man beim Shoppen, ob die Näher*innen zumindest den gesetzlichen Mindestlohn erhalten? Eine Orientierung geben Siegel wie der „Grüne Knopf“. Das staatliche Siegel für nachhaltige Textilien darf ein Produkt nur tragen, wenn die Löhne für die Arbeiterinnen und Arbeiter dem Mindestlohn des jeweiligen Landes oder – falls dieser höher ist – dem Industriestandard entsprechen. Da aber auch der Mindestlohn nicht immer fürs Überleben reicht, müssen Unternehmen mit der neusten Standardversion Grüner Knopf 2.0 daran arbeiten, existenzsichernde Löhne zu unterstützen.
Mindestlohn und existenzsichernder Lohn – der Unterschied:
Aber was ist überhaupt ein existenzsichernder Lohn? Der Existenzlohn deckt die Grundbedürfnisse einer Familie für Nahrung, Wohnen, Gesundheit, Bildung und Transport. Außerdem müssen die Arbeiterinnen und Arbeiter genug verdienen, um Geld für Notfälle beiseitelegen zu können. In vielen Produktionsländern gibt es eine große Diskrepanz zwischen den gesetzlichen Mindestlöhnen und dem Existenzlohn. In Bangladesch beträgt der Mindestlohn für ungelernte Näher*innen beispielsweise weniger als die Hälfte des Existenzlohns.
Darum sind die Löhne so niedrig
Klar ist: Wir brauchen Lösungen, mit denen Niedriglöhne verhindert werden. Doch warum sind existenzsichernde Löhne noch immer schwierig durchsetzbar? Die Gründe sind komplex: Große Modefirmen haben enorm viel Macht und die Freiheit, ihre Produktion relativ schnell auch in ein anderes Land zu verlagern. Niedrige Löhne spielen deshalb im Konkurrenzkampf der Länder um Aufträge eine zentrale Rolle. Entsprechend sind sie oft gar nicht Hauptinteresse nationaler Regierungen.
Am Ende der oft unübersichtlichen Lieferketten steht außerdem eine Vielzahl von Produzenten, die miteinander konkurrieren. Große Textilunternehmen bezahlen die Näher*innen also oft nicht direkt – dazwischen stehen viele weitere Unternehmen und kleine Zulieferer. So ist es schwer nachvollziehbar, unter welchen Bedingungen die Näher*innen ganz am Ende der Lieferkette eigentlich arbeiten.
Der Grüne Knopf schreibt daher vor, dass Arbeiterinnen und Arbeiter sich gewerkschaftlich organisieren dürfen und verlangt von den Unternehmen, Verantwortung für die eigene Lieferkette zu übernehmen. So müssen sie Risiken von Ausbeutung kennen und angemessen adressieren. Arbeitskräfte müssen außerdem Zugang zu einem Beschwerdemechanismus haben.
Das Thema bleibt jedoch komplex: Initiativen Einzelner sind wichtig – reichen aber bei weitem nicht aus. Branchenweite und länderübergreifende Kooperationen sind nötig, damit sich etwas verändert.
Ein wichtiger Baustein ist das 2014 vom Bundesentwicklungsministerium initiierte Bündnis für nachhaltige Textilien. Alle Unternehmen im Textilbündnis haben sich unter anderem dazu verpflichtet, die Zahlung existenzsichernder Löhne aktiv in ihren Lieferketten zu fördern und über ihre Fortschritte öffentlich zu berichten.
Zu den möglichen Lösungen gehören unter anderem bessere Einkaufspraktiken: Mitglieder der Bündnisinitiative „Existenzsichernde Löhne“ tauschen sich dazu aus, wie Beziehungen zu Lieferanten verantwortungsvoll gestaltet werden können. Ziel ist zum Beispiel, auch in Krisenzeiten den Lohn weiter zu bezahlen. Auch Trainingsmaterialien für die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden durch die Mitglieder der Bündnisinitiative entwickelt. Sie sollen für die Auswirkungen der eigenen Einkaufspraktiken, unter anderem auf Löhne und Überstunden bei Lieferanten, sensibilisieren.
Für die Zahlung existenzsichernder Löhne ist es besonders wichtig, die Lieferanten mit ins Boot zu holen. In speziellen Trainings verstehen Zulieferer die Zusammensetzung ihrer Arbeitskosten besser und lernen, wie sie Preise so gestalten, dass faire Löhne gesichert sind.
Ein langer Weg, der sich lohnt
Das Bündnis für nachhaltige Textilien unterstützt zudem die Initiative „Action Collaboration Transformation“ (ACT). Das Abkommen zwischen globalen Unternehmen und Gewerkschaften legt nicht einfach bestimmte Lohnhöhen fest, sondern setzt auf kollektive Lohnverhandlungen pro Branche und pro Land.
Das ist ein pragmatischer Ansatz: Er erkennt an, wie sehr sich die Bedingungen in den unterschiedlichen Ländern und der jeweiligen Branche unterscheiden. Außerdem würde ein Lohn, der von „außen“ vorgegeben wird, vermutlich von den entscheidenden Akteuren nicht akzeptiert.
Es ist ein langer Weg, bis alle Näher*innen von 29-Euro-T-Shirts von ihrer Arbeit gut leben können. Es gibt aber schon viele Unternehmen, die sich auf den Weg gemacht haben. Der „Grüne Knopf“ hilft uns, diese Unternehmen leichter zu erkennen.