Anzeigen-Spezial
1 – Digitalisierung in Bayern
In München ist es vergleichsweise einfach, Mitarbeiter zu finden. An anderen bayerischen Standorten gestaltet sich die Mitarbeitersuche schwieriger. Sie kann durchaus mal mehrere Montate dauern, bedauerte Sylvie Pflitsch, Head of Digital Touchpoints & Data Analytics bei Bosch Building Technologies. Foto: Ilona Stelzl/lolaslicht
Wolfgang Springer – An unserem Hauptsitz in Selb steht im Eingangsbereich eine große Feuerwehrpumpe. Diese Tradition ist präsent und erinnert uns jeden Tag an unsere Herkunft. Die Geschäftsleitung bestehend aus den beiden Brüdern Moritz und Paul Netzsch, sowie Jens Niessner hat erkannt, dass die Zukunft des Industriebetriebs in der Digitalisierung liegt. Deshalb haben wir unsere „IT-Strategie 25“ entwickelt, um die Weichen in diese Richtung zu stellen. Und zwar sowohl auf der Produktseite, beispielsweise mit der „smarten Pumpe“, als auch bei den Arbeitsprozessen. Wir wollen mehr Daten nutzen, und das beginnt mit der Frage: Wo werden welche Daten erfasst, und wie kann man sie sinnvoll nutzen? Deshalb bildet unsere IT-Strategie die Grundlage für die Digitalisierung. Ein Teil davon ist die Ablösung der bisherigen Rechenzentren durch die Verlagerung von Datenströmen in die Cloud. Dadurch können die Mitarbeiter an unseren weltweit verteilten Standorten auf die Daten zurückgreifen, die ihnen bei ihrer Arbeit helfen, um schneller und effizienter zu sein.
Herr Rydzewski, Sie sprechen mit Bezug auf die Barmer und das Krankenversicherungsgeschäft gern von einer doppelten Digitalisierung. Was meinen Sie damit?
Marek Rydzewski – Grundsätzlich geht es darum, dass wir uns einerseits selbst verändern und als gesetzliche Krankenversicherung digitale Prozesse einführen, andererseits aber auch unser Umfeld, also das Gesundheitssystem als Ganzes, digitalisieren. Dabei bewegen wir uns im Spannungsfeld zwischen Versicherten, Ärzteschaft und Politik. Die Versicherten haben gegenüber den Krankenkassen eine andere Erwartungshaltung als früher, weil sie von der Digitalisierung in anderen Lebensbereichen profitieren, etwa beim Banking oder Versandhandel. Wir stehen also nicht nur mit anderen Unternehmen aus unserer Branche im Wettbewerb, sondern werden auch branchenübergreifend mit anderen Unternehmen verglichen. Wenn die Kunden bei Amazon jederzeit verfolgen können, welchen Status ihre Bestellung hat, dann erwarten sie das auch von ihrer Krankenversicherung. Früher musste man für jedes Anliegen persönlich in eine Geschäftsstelle gehen, dann konnte man vieles telefonisch erledigen, und heute möchten die Versicherten ihre Angelegenheiten auch über eine Gesundheits-App jederzeit einsehen können. Wir benötigen daher eine doppelte Transformation innerhalb und außerhalb unseres Unternehmens. Auf diesem Weg brauchen wir das Verständnis unserer Mitarbeitenden für den Stellenwert der Digitalisierung für unsere Zukunft. Deshalb müssen wir sie dazu befähigen, mit diesen Technologien umzugehen, und ihnen zugleich die Angst davor nehmen. Wir bauen wegen der Digitalisierung keine einzige Stelle ab, sondern wollen damit etwas Positives für unsere Versicherten und Mitarbeitenden erreichen.
Frau Pflitsch, wie geht die Digitalisierung bei Bosch Building Technologies vonstatten? Ist das auch eine Gefühls- oder eine reine Verstandessache?
Sylvie Pflitsch – Den Begriff Digitalisierung sollte man differenziert betrachten. Einerseits geht es darum, Arbeitsprozesse zu digitalisieren, was wie jede Veränderung auch eine emotionale Komponente beinhaltet. Andererseits beinhaltet es die Digitalisierung von Produkten und Systemen, für die man neue Kompetenzen benötigt. Nun mögen viele Menschen von Haus aus keine Veränderungen. Wenn sie jedoch feststellen, dass damit eine Verbesserung verbunden ist, dann sind sie sehr schnell mit dabei. Und deshalb heißt Digitalisierung auch Überzeugungsarbeit. Nur weil wir Dinge automatisieren und digitalisieren, bedeutet das nicht, dass es nichts mehr zu tun gibt. Ganz im Gegenteil. Die Menschen auf diesem Weg mitzunehmen, ist ein sehr wichtiges Thema, weil es über den Erfolg der Veränderung entscheidet.
„Viele Menschen mögen von Haus aus keine Veränderungen. wenn sie jedoch feststellen, dass damit eine Verbesserung verbunden ist, sind sie sehr schnell dabei. “
Herr Leubner, wie setzen Sie im Weltkonzern Siemens auf die Tradition auf und entwickeln gleichzeitig die Belegschaft weiter?
Thomas Leubner – Bei Siemens bringen wir für unsere Lösungen schon länger die physische Welt mit der virtuellen Welt zusammen. Sei es für die digitale Fabrik, diverse Mobilitätslösungen oder eine smarte Infrastruktur. Das entwickeln wir weiter, auch mit dem Ziel, die Nachhaltigkeit zu verbessern. Bei all diesen Themen sind wir uns bewusst, dass wir mit der Digitalisierung bei unseren Kunden eine große Transformation begleiten, aber auch uns selbst verändern müssen. Deshalb haben wir schon vor sieben Jahren gemeinsam mit der IG Metall und dem Gesamtbetriebsrat einen Prozess aufgesetzt, der analysiert, wie sich aufgrund von neuen Technologien und Arbeitsprozessen die einzelnen Arbeitsplätze verändern werden. Dazu nutzen wir unter anderem ein Trendradar und diskutieren mit Experten, Wissenschaftsorganisationen und Zukunftsinstituten, um frühzeitig zu erkennen, was auf uns zukommen könnte. Und wir arbeiten in strategischen Panels mit unseren Geschäftsbereichen, um unsere Erkenntnisse mit deren Erfahrung zu kombinieren. Daraus leiten wir dann Programme ab, um neue Lösungen zu implementieren und die Mitarbeitenden durch Trainings und Weiterqualifizierungen dafür zu befähigen. Dafür haben wir einen Zukunftsfonds eingerichtet, dem insgesamt Mittel in Höhe von 100 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Er dient der Anschubfinanzierung von Transformations- und Qualifizierungsprojekten in den einzelnen Geschäftsbereichen. Damit soll die Schwelle gesenkt werden, solche Projekte voranzutreiben.
In der IT werden heute andere und zusätzliche Skills gesucht als früher. An dieser Stelle fehlt noch das Angebot an Studiengängen oder Ausbildungswegen, um den steigenden Bedarf an IT-versierten Projektleitern decken zu können, erläuterte Dr. Wolfgang Springer, Director Group IT bei der Netzsch Group. Foto: Ilona Stelzl/lolaslicht
Herr Rohrmair, wie sehen Sie als Präsident der Technischen Hochschule Augsburg und damit aus wissenschaftlicher Sicht auf die Digitalisierung? Was benötigt der IT-Standort Bayern?
Gordon Rohrmair – Da gibt es aus Sicht der Hochschulen zwei Schwerpunkte. Der eine liegt auf der Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern, damit den Unternehmen in ihren jeweiligen Regionen genügend Personal zur Verfügung steht, um Digitalisierungsprojekte vorantreiben zu können. Der andere Schwerpunkt zielt auf den effizienten Betrieb von Hochschulen und Behörden ab. Das sind also zwei Kreisläufe der Digitalisierung: Einer der Prozesse und einer der Produkte und Services. Für letztere benötigen wir bei der Ausbildung den Dialog zwischen den wissenschaftlichen Einrichtungen und den Firmen vor Ort. Da brauchen wir eine wesentlich engere Kopplung zwischen der Lehre und dem tatsächlichen Bedarf. Mir ist bewusst, dass das in Deutschland ein heikles Thema ist, weil schnell das Wort von der „gekauften Wissenschaft“ die Runde macht. Man muss aber sehen, dass sich das Verhältnis geändert hat. Früher fand der Wissenstransfer hauptsächlich von der Wissenschaft in die Unternehmen statt. Heute ist das ein bidirektionale Weg. Das betrifft besonders den sich rasch verändernden Hochtechnologiebereich. Was bislang vor allem für Produkte galt, betrifft heute auch die Infrastruktur, die rasant weiterentwickelt wird. Um das alles zu schaffen, benötigen wir ausreichend qualifizierte Leute in Bayern. Das gelingt nur durch den Austausch mit den hier ansässigen Unternehmen.
Und wie machen Sie das konkret?
Gordon Rohrmair – Wir haben in den wichtigen Leitfächern Praxisbeiräte eingerichtet, die wie kleine Aufsichtsräte der jeweiligen Fakultäten agieren. Während in unserem Beirat auf Hochschulebene zehn Unternehmerinnen und Unternehmer vertreten sind, handelt es sich bei den Praxisbeiräten meist um Entwicklungsleiterinnen und -leiter. Zudem haben wir für bestimmte Lehrangebote Patenschaften initiiert, in denen praxisnah gearbeitet wird. Im Fach Wirtschaftsinformatik haben wir gemeinsam mit der IHK herausgefunden, dass den Firmen in Niederlassungen in bestimmten Regionen die jungen Leute fehlen, um Stellen qualifiziert besetzen zu können. Daraufhin haben wir einen Bachelor-Studiengang eingerichtet, in den die Unternehmen junge Leute schicken, die neben der Arbeit im Unternehmen bei uns ausgebildet werden. So können wir an dieser Stelle das Ausbildungsangebot verbreitern. Die dritte Stellschraube bilden kleine Projekte, mit denen wir laufend prüfen, ob unser Angebot noch dem aktuellen Stand in Wirtschaft und Technik entspricht.
Herr Kleffel, Sie sind seit Januar Präsident des Landesamts für Digitalisierung, Breitband und Vermessung (LDBV) in Bayern. Wie digital ist der Freistaat Bayern bereits, und wie wichtig ist das als Standortfaktor für die Wirtschaft?
Daniel Kleffel – Dass der Staat bei der Digitalisierung mitzieht, ist für die Unternehmen ein wichtiger Standortfaktor. Und da sind wir gut aufgestellt. Allein das Bayerische Staatsministerium der Finanzen und für Heimat, zu dem meine Dienststelle neben anderen IT-Bereichen organisatorisch gehört, beschäftigt 2.600 IT-Fachkräfte. Neben dem staatlichen IT-Netz geht es um den Breitbandausbau in der Fläche Bayerns, um den Betrieb von Rechenzentren und die Entwicklung von Fachprogrammen. Und natürlich steht die IT-Sicherheit für den gesamten Staatsaufbau vermehrt im Fokus. Das liegt unter anderem daran, dass das Verantwortungslevel für sensible Daten, etwa in der Steuerverwaltung, noch einmal höher ist. Was die Verwaltung betrifft, ist der Freistaat bereits sehr digital. Die Bayerische Vermessungsverwaltung hat schon in den 1980er-Jahren damit begonnen, fachspezifische Software für die Erstellung von Liegenschaftskatastern zu entwickeln. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nutzen diese in stets aktualisierter Form ganz selbstverständlich für die digitale Führung des Liegenschaftskatasters. Im Steuerbereich entwickelt und betreibt der Freistaat beispielsweise im Auftrag des Bundes und der Länder ELSTER, das viele Bürgerinnen und Bürger kennen und für ihre Steuererklärungen nutzen. Beim Breitbandausbau für das schnelle Internet, den ich eine Weile verantwortet habe, stehen wir kurz vor einer Flächenabdeckung von mehr als 99 Prozent. Man mag sich die Corona-Pandemie ungern ohne diese flächendeckende Verfügbarkeit vorstellen, die nur in enger Abstimmung mit den Kommunen möglich war. Natürlich geht es seit mehreren Jahren darum, das Glasfasernetz bis in die Gebäude weiter auszubauen.
Das könnte Sie auch interessieren
DER RUNDE TISCH – IT-STANDORT BAYERN
Die unaufhaltsame Digitalisierung sämtlicher Industrien und Dienstleistungen sowie das Aufkommen von KI-Anwendungen wird sich auch auf den IT-Standort Bayern auswirken. Eines ist sicher: Es werden weiterhin sehr viele Fachkräfte benötigt – aber sie müssen andere Dinge beherrschen als noch vor wenigen Jahren.