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Bayerwald

Schneefreuden mit „Wau“-Faktor

Fotos: erlebe.bayern/Frank Heuer

In Deutschlands erster Schlittenhundeschule kann man lernen, wie man einen Hundeschlitten lenkt

Rauschebart, Zauselhaar, Minigläserbrille, verschmitztes Lachen: Das muss Thomas Gut sein, der Chef! Der ist in der Region bekannt wie ein – sorry für das Wortspiel – bunter Hund. Wegen seiner rund 50 Alaskan Huskys, aber auch aufgrund seiner Erscheinung, die dem 62-Jährigen den Spitznamen „Waldschrat“ eingebracht hat. Selbst beim Einkaufen im nahen Frauenau, erzählt man sich, soll er barfuß unterwegs sein. Als wir ihn jetzt auf seinem Anwesen im Wald, eben dem Haus Waldschrat, treffen, trägt er Schuhe. Was er noch trägt: zwei Eimer, aus denen es streng duftet. „Ein Mix aus Lachs, Rind, Schwein und viel warmem Wasser!“, strahlt Thomas. All das hat er gerade in einem Betonmischer verquirlt. Think big! Mit dieser „Morgensuppe“, wie es der Husky-Guru nennt, zieht er los.

Frückstück für die Vierbeiner

Zwei weitere Kursteilnehmer, Monika und Klaus, sind auch munitioniert und mir drückt er ebenfalls einen Kübel in die Hand. Dann geht es, unter lautem Gejohle, durch das Gatter zu den weiblichen Hunden ins „Kloster“. Jedes Tier ist an einer Leine gehalten, die nach oben an ein rund drei Meter langes Seil führt. Das ermöglicht kleine Runden, bis zu einer Hütte samt Topf davor. In das bekommt nun jede eine volle Gebräukelle. Vorher muss man das Tier mit Namen ansprechen – dieser steht auf dem Schild über dem Verschlag –, dazu den Finger heben und „Sitz!“ sagen. Klappt das, folgt das Kommando „Auf geht’s!“ Zwei Sekunden später wird geschlabbert.

Thomas Gut (Mitte) erklärt genau, worauf es beim Lenken ankommt.

Thomas Gut (Mitte) erklärt genau, worauf es beim Lenken ankommt.

Deutschlands erster Schlittenhundeschule

Bald geht es los!

Deutschlands erster Schlittenhundeschule

Nicht nur die Huskys sind aufgeregt.

Bei den Männchen nebenan das gleiche Spiel. Nachdem auch hier der größte Hunger gestillt ist, geht es um Bonding: kraulen, kuscheln, Beziehung aufbauen. Die anfangs so wild wirkenden Hunde sind teils richtig verschmust. Angenehm auch, dass längst viel weniger Dezi-Bell herrschen. Zeit, etwas über Thomas‘ Huskykarriere zu erfahren. Die nahm 1988 mit seinem Umzug in den Bayerischen Wald Fahrt auf. Aus sechs wurden über 50 Huskys, aus dem Start-up entwickelte sich eine deutschlandweit einmalige Institution. Mal von den Corona-Zwangspausen abgesehen, läuft es richtig rund. Und das rund ums Jahr. „Im Sommer – oder wenn zu wenig Schnee liegt, was kaum vorkommt – schnallen wir Rollen unter die Schlitten“, erzählt der Wahl-Waidler. „Der Schwerpunkt aber liegt im Winter, von November bis Ostern.“ Den Programmschwerpunkt bilden, neben Schnupperwochenenden, Wochenkurse.

Es winkt ein „Musher-Diplom“

Der Clou: Nach sechs Tagen winkt der Erwerb eines Musher(wie der Gespannlenker auf Englisch genannt wird)-Führerscheins, wenngleich Thomas klarstellt: „Das ist eher ein Gag, im Gegensatz zum echten Führerschein hat das keine Bedeutung.“ Einen USP stellt das „Diplom“ dennoch dar. Und für den kommen Gäste aus ganz Bayern, Deutschland, Europa, gar Übersee. Klaus sagt, warum: „Um die Kunst der Schlittenführung zu lernen, von einem Profi, der sich im Schlittenhundesport, als Ausbilder sowie als Autor einen Namen gemacht hat.“ Die Kursteilnahmebedingungen skizziert Thomas so: „Tierliebe, a bisserl Kondition und Bereitschaft zur Teamarbeit“. Monika bringt das, aber kaum andere Vorkenntnisse mit, Klaus hingegen sein eigenes Husky-Quartett. Mit den Vierbeinern schläft er sogar im Wohnmobil. In der Regel aber nächtigen Teilnehmer im Haus, wo auch Frühstück und Abendessen serviert werden. Und das Rahmenprogramm stattfindet. „Der Ablauf des Kurses ist stets gleich“, sagt Thomas. „Sonntags reisen die Gäste, in der Regel zwei bis drei, an. Abends wird eine persönliche Zugleine gespleist und sich kennengelernt.“ Am Montag – den kriegen wir mit – geht es in die Hundepraxis, inklusive Fütterung, Kontaktaufbau, Pflege und erster Ausfahrt. Davor steht die Frage, wer mit wem. Dazu zückt Thomas eine abgegriffene Holztafel, auf der die Hundeteams via Namensschilder aufgeführt sind. Gemäß ihren jeweiligen Stärken und Fähigkeiten werden die Vierbeiner eingeteilt.

Deutschlands erster Schlittenhundeschule

Vor und während des Kurses bauen die Teilhnehmer eine Beziehung mit den Hunden auf,…

Deutschlands erster Schlittenhundeschule

die ihren jeweiligen Schlitten lenken.

Autor Christian Haas

Freude pur, findet unser Autor Christian Haas.

Dann ruft er die Hundenamen auf und die Auserwählten kommen angeschossen. Voller Elan springen sie in die Einzelkojen des Spezialtrucks. Wir noch auf den Rücksitz – und ab! Nach vier, fünf Radiosongs stellen wir das Huskymobil auf einem Parkplatz am Waldrand ab, heben vier Schlitten vom Dach und präparieren diese mit allerlei Leinen. Die Hunde müssen warten, erst mal „trocken“ lenken! „Huskys schneiden gern die Kurven. Schlecht, wenn dann der Hänger hinten hängenbleibt“, sagt Thomas. Wir üben, indem wir die Hunde mimen und den Schlitten ziehen. Dann lernen wir noch einiges über Seile, Hundegeschirr und die Kommandos „Gee“ – sprich: tschi – für „rechts“ und „Haw“ – ho – für „links“. „Go“ und „Stop“ erklären sich von selbst.

Bremsteppich vom Hundeschlitten

Immer schön auf dem (Brems-)Teppich bleiben.

Tolles Gespann mit Sopherl, Falter, Flou und Neele

Die Hunde werden ungeduldig. Und kaum habe ich meine „fantastischen Vier“ – Sopherl und Falter vorne, dahinter Flou und die junge Neele – eingespannt, sind sie nur noch schwer zu bändigen. Die Ankerkralle, eine Art Handbremse, ist schon gelöst. Nun heißt es, mit beiden Füßen auf dem Bremsteppich zu bleiben, um den Schlitten im Zaum zu halten. Nur kurz, denn als Thomas vorne losfährt, gibt es kein Halten mehr: schnell die Füße rüber auf die Kufen, denn die Huskys zischen los. Klar, die flitzen ihrem Herrchen hinterher, denk ich. Doch gerade, als ich in einen passiven Fahrgeschäftmodus zu verfallen drohe und auf dem manchmal etwas abschüssigen Waldweg zur Hanglage neige, wird mir klar, dass ich die Zügel mehr in die Hand nehmen muss. Konzentration! Kontakt zu den Hunden! Also lobe ich, dirigiere, verbreite Chefstimmung. Gut so, denn der Trail führt mal rauf, mal runter, mal nach links und mal nach rechts.

Am Ende bekommt jeder das „Musherdiplom“ (Musher ist die englische Bezeichnung für Gespannlenker).

„Tierliebe, Teamfähigkeit und ein bisschen Kondition“ sollte man für den Kurs mitbringen. Am Ende bekommt jeder das „Musherdiplom“ (Musher ist die englische Bezeichnung für Gespannlenker), das als Zertifikat zwar keine Bedeutung hat, aber eine schöne Erinnerung ist.

Einmal gerate ich fast aus der Bahn und in eine Schneeanhöhe. Akute Umkippgefahr! Gerade noch kann ich gegensteuern. Ein anderes Mal, wo die Hunde mit Tempo die Steigung emporhecheln, will ich pedalen. Doch als ich beherzt in den Boden treten will, versinkt mein Schuh im unerwartet tiefen Schnee. Schon wieder so ein Wackelmoment. Der nächste kündigt sich an, als ich Thomas erblicke, seine Hunde neben sich geparkt. Was will er? Mich anfeuern! „Schieb an!“ Gehört, getan. Runter von den Kufen und, die Hände stets am Schlitten, in der Außenkurve mitlaufend. Ich hab Puls, weil es bergan geht und – huch, was ist das hinter der Kurve? – durch einen Bach! Den Huskys ist‘s egal. Ich mit nassen Schuhen und nasser Stirn wieder rauf auf die Kufen. Kaum Tempoverlust! Aaah!

Mit der Power der vierbeinigen Gefährten durch die Traumlandschaft im Bayerwald.

Der leicht gespurte Weg führt weiter durch den einsamen Wald bergauf. Die Schneedecke an den Seiten wird immer höher, je höher wir gelangen. Auf einer Lichtung Pause, bis alle da sind. Lang darf sie nicht sein. Die Hunde wollen rennen, rennen, rennen. Und jaulen, jaulen, jaulen, wenn sie das nicht dürfen. Also weiter, die 600 Höhenmeter wieder runter. Jetzt nicht zu schnell werden! Ich bleib auf dem (Brems-)Teppich, unter dem sich gerne Schneeklumpen ballen, aber das Wichtigste ist: Spur halten. Damit tut sich Monika zuweilen schwer, zweimal testet sie die Qualität ihrer Outdoorklamotten im nassen Schnee. Dazu lärmende Hunde, die weiterwollen. Und nicht nur ihre. Auch meine, doch Überholen ist nicht.

Wichtig: Die Wagenlenker sind die Chefs

Mit gehörigem Abstand heißt es dann: laufen lassen! Vorausschauendes Lenken, vor allem um verengten Kurvenradius zu vermeiden, ist Gold wert. Dann kommen wir mit strahlendem Gesicht respektive hechelnder Zunge nach 15 Kilometern wieder am Truck an. Alle freuen sich, die Hunde über rohes Fleisch – und, na klar, Suppe aus Thermoskannen (damit sie nicht so viel Schnee fressen). Irre, wie ruhig die Energiebündel von eben sein können. Schmusen und heben brav die Pfoten, alles gut.

Die Hunde hüpfen in ihre Kojen, heim geht’s. Dort hat Thomas‘ Frau Anke schon gekocht. Es gibt Suppe – diesmal Gemüse! – in der ofenwarmen Privatstube. Bei der Hauptspeise erzählt Thomas über die verschiedenen Rassen von den Samojeden bis zu den Siberian Huskys (die mit den eisblauen Augen, aber geringerer Laufenergie, wie wir an Klaus‘ Hunden merkten). Was alle eint: „Es gibt in jedem Rudel eine Rangordnung, inklusive Chef. Die Jüngeren respektieren das.“ Und bei der „Erziehung“ gehe es genau darum: Dass der Musher als Chef anerkannt wird. Und es gelingt: In den folgenden Tagen wird das Verhältnis zu den Hunden inniger, die Ausfahrten zwischen Großem Arber und Großem Falkenstein länger, das Selbstbewusstsein größer. Dazu tragen auch ein Videoabend und tiefe Gespräche bei, über Hundepsychologie, Erkrankungen, Trainingsmethoden – und Skandinavien. Dorthin fahren Thomas und Anke traditionell nach der Wintersaison: „So geht für uns Urlaub: Mit dem Truck und 20 Hunden nach Lappland, um mal richtig Strecke zu machen.“


Christian Haas

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