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Auf der Alm

„Schnaps trinkt keiner mehr“

Foto: Alex Filz

Hüttenwirtin Helga Rauch erzählt über ihren arbeitsreichen Alltag und veränderte Gästepräferenzen

Die Rauchhütte ist nicht nur eine von vielen bewirtschafteten Almhütten. Sie befindet sich im Herzen des Unesco-Weltnaturerbes, der Dolomiten, auf Europas größter Hochalm, der Seiser Alm. Die Lage in 1850 Metern Höhe mit dem Blick zur Langkofel-Gruppe ist einfach einmalig. Besitzerin Helga Rauch feiert heuer ein Jubiläum: Seit 25 Jahren bekocht sie ihre Gäste mit Südtiroler Spezialitäten. In jüngeren Jahren war die Hüttenchefin zudem Südtirols beste Marathonläuferin mit einer persönlichen Bestzeit von 2:53 Stunden. Wie ist es, inmitten eindrucksvollster Natur zu leben und sein eigener Chef zu sein? Die sympathische Südtirolerin gibt uns einen Einblick in ihr Leben als Hüttenwirtin.

Frau Rauch, seit wann gibt es die Rauchhütte?
Helga Rauch: Die Rauchhütte wurde 1965 von meinen Großeltern erbaut. Ursprünglich war sie als Sommerhaus gedacht. Meine Großmutter war gelernte – und leidenschaftliche – Köchin und hat angefangen, vorbeikommenden Wanderern Speise und Trank anzubieten. Wobei die Hütte damals noch gar keinen Strom hatte! Aber Eier, Milch, Brot und Speck waren immer da. Daraus bereitete sie Pfannkuchen oder Knödel zu oder servierte die typische Südtiroler Marende, wie die Brotzeit bei uns heißt. So wurde aus der Rauchhütte eine Alm zum Einkehren und gemütlich Verweilen.

Wie kam es, dass Sie Hüttenwirtin geworden sind?
1999 war ich 25 Jahre alt und habe zusammen mit meinem Mann Andreas die Hütte von meinen Eltern übernommen. Eigentlich habe ich etwas anderes gelernt. Aber Andreas kommt aus der Gastronomie und meinte, wollen wir das nicht zusammen machen, zu zweit ist vieles leichter. Man wächst da so rein. Mit das Schönste war, dass wir bei der Arbeit immer unsere beiden Kinder bei uns haben konnten. Mittlerweile arbeitet auch unsere Tochter Maria schon im Betrieb mit und leistet als Sommelière und aktive Jägerin ihren festen Beitrag.

Helga Rauch (links) mit ihrem Mann Andreas Lageder und Tochter Maria.

Helga Rauch (links) mit ihrem Mann Andreas Lageder und Tochter Maria. Foto: Alex Filz

Gibt es Jahreszeiten, die besonders arbeitsintensiv sind? Und woher kommen die Gäste?
Saison ist bei uns fast rund ums Jahr. Von Weihnachten bis Ostern und von Anfang Mai bis Allerheiligen. Die Gäste kommen vor allem aus Deutschland und Italien.

Wann stehen Sie auf und wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?
Ich stehe um 6.30 Uhr auf. Unsere Arbeit beginnt morgens mit Putzen und Vorbereiten. Die ersten Gäste kommen um elf Uhr und um halb zwölf startet dann die Küche. Warmes Essen haben wir bis 16 Uhr, danach gibt’s immer noch eine Südtiroler Marende und Kaiserschmarren.

Ist das nicht ganz schön stressig?
Ja, das werde ich oft gefragt. Aber ich empfinde das nicht als hart. Die Arbeit ist abwechslungsreich, schon weil die Gerichte täglich wechseln. Dazu kommt, dass wir einen reinen Tagesbetrieb haben. Um 18 Uhr ist mein Arbeitstag beendet. Dann ist alles getan und der gemütliche Teil beginnt. Am liebsten gehe ich dann noch eine Runde laufen. Ich mache meine Arbeit mit Freude und aus vollstem Herzen. Ich denke mir immer: Die Gäste sind schließlich im Urlaubsmodus, sie haben Zeit und wollen genießen. Sie sind nicht wie daheim in Hektik und Eile, wo alles schnell, schnell gehen muss. Mein Motto ist eigentlich ganz einfach: Was ich den Gästen gebe, kommt von ihnen zurück.

Was hat sich im Lauf der Jahre alles verändert?
2018 haben wir die alte Hütte abgetragen und wieder neu aufgestellt. Das Kochen und Wirtschaften war immer schwieriger geworden, sie war ja nicht als Lokal gebaut worden. Aber, und das war uns ganz wichtig, wir wollten unbedingt ihren Charakter erhalten als Almhütte, wie sie typisch ist für die Landschaft hier. Deshalb sieht sie von außen auch bis ins Detail so aus wie früher! Auch die holzgetäfelte Stube und den Kachelofen haben wir bewahrt.

Im Kuchlkasten werden wie einst die Gewürze aufbewahrt.

Im Kuchlkasten werden wie einst die Gewürze aufbewahrt. Foto: Alex Filz

Und sind die Gäste heute anders als früher?
Kaum jemand trinkt noch Schnaps. Früher gehörte es ganz automatisch dazu, dass sich die Skifahrer ihren Williams bestellt haben. Das gibt es gar nicht mehr. Lieber ein gutes Glas Wein. Man kann sagen: Es wird heutzutage weniger getrunken, aber dafür besser. Und der Fleischkonsum ist insgesamt zurückgegangen. Man merkt: Viele ernähren sich bewusster.

Welche Art von Speisen bieten Sie in Ihrer Hütte an?
Ich koche gern nach alten Familienrezepten. Das Rezept für die Speckpfannkuchen und die Buchteln stammt zum Beispiel noch von meiner Großmutter. Wir servieren auch ursprüngliche Südtiroler Gerichte und Fleisch aus der Region. Klassiker wie Knödel und Kaiserschmarren gibt’s natürlich immer. Dazu kredenzt Maria die passenden Weine aus unserem gut bestückten Weinkeller.

Kaiserschmarren steht in der Gunst der deutschen Gäste ganz oben.

Kaiserschmarren steht in der Gunst der deutschen Gäste ganz oben. Foto: Alex Filz

Verwenden Sie lokale Zutaten in Ihrer Küche?
Das ist uns sehr wichtig. Die Eier bringt uns der Bauer. Meine Tochter ist Jägerin, ihr Mann hat eine Metzgerei im Dorf. Das Fleisch muss von hier sein, darauf legen wir ganz viel Wert. Auch wenn das heißt, dass ein Hirschbraten nicht jeden Tag auf der Speisekarte stehen kann. Ich würde jedenfalls nie ein Fleisch aus, sagen wir Neuseeland, dazu kaufen.

Gibt es Gerichte, die besonders beliebt bei den Gästen sind?
Das ist von Land zu Land ein bisschen verschieden. Die Deutschen bestellen am liebsten Mehlspeisen, die Italiener schon mal ganz gern Fleischgerichte.

Können Sie denn auch mal Urlaub machen? Ja, Ende Juni machen wir immer eine Woche zu. Am liebsten fahren wir in die Toskana oder in den Süden. Jedenfalls nicht in die Berge!
Eine Woche Urlaub, das wäre vielen zu wenig…
Ich empfinde das nicht so. Wir schließen ja um 16 Uhr. Ruhe kehrt ein, die Sonne wirft lange Schatten, ich lasse den Tag Revue passieren. Am schönsten auf der Alm sind die späten Nachmittagsstunden. Nun kommt der Moment, wo ich meine Laufschuhe anziehe und noch eine Runde über die Alm laufe. Da kann ich abschalten und bekomme den Kopf frei. Die Berge sind mein Ruhepol, sie sind majestätisch schön und strahlen so viel Kraft und Ruhe aus. Sie lassen mich eine größere Macht erkennen … sie sind das, woran ich glaube.

Wow, Sie sind ganz schön sportlich!
Ja, das Laufen fiel mir immer leicht. Mit 15 kam ich in die Nationalmannschaft, bin Mittelstrecken mit nationalen Titeln gelaufen. Später kam der Marathon. Bei den Rennen hierzulande war immer ein Platz unter den ersten zehn drin, den Luzern-Marathon 2009 habe ich sogar gewonnen. Ganz besonders stolz war ich über den 20. Platz beim Berlin-Marathon. Da mischen ja so viele internationale Top-Läufer mit. Aber das mit den Wettkämpfen habe ich jetzt aufgehört, ich laufe nur noch zum Spaß.

Wie hat sich der Tourismus auf der Seiser Alm verändert?
Das E-Bike macht es möglich, dass auch konditionell schwächere Radler überall hochkommen. Wie in anderen beliebten Ferienregionen ist es auch bei uns so, dass Wanderer und Radfahrer alle auf den gleichen Wegen unterwegs sind und sich den Platz teilen müssen. Da ist von allen Rücksichtnahme gefragt.

Haben Sie zum Schluss noch einen lohnenswerten Wandertipp für uns?
Das ist gar nicht so leicht, unsere Seiser Alm ist ja ein Paradies mit tausend schönen Wanderwegen. Zum ersten Kennenlernen kann ich aber einen entspannten Rundweg bei uns in der Nähe von etwa anderthalb Stunden empfehlen. Dafür fährt man mit der Seilbahn von Seis nach Compatsch und wandert Richtung Panorama (Hotel), auf dem Rückweg kommt man an der Rauchhütte vorbei. Es ist eine leichte Wanderung ohne Autoverkehr, durch die Wiesen und mit herrlichen landschaftlichen Eindrücken.

Interview: Susanne Hauck

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