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3 – Verteuern, Verbieten oder Anreize schaffen

Um das Auto in der Stadt weniger attraktiv zu machen, kann man entweder den Preis für das Parken verteuern oder das Parken gleich ganz verbieten. Was halten Sie für den besseren Ansatz?

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Runden Tisch diskutierten über verschiedene Ansätze, um die zunehmenden Verkehrsströme in den Städten zu lenken und öffentliche Nahverkehrsmittel zu fördern. Einig waren sie sich darin, dass E-Autos zwar zur Klima-, nicht jedoch zur Verkehrswende beitragen.
Fotos: The Point of View Photography

Sabine Effner – Es sollte eine Kombination von Push- und Pull-Faktoren sein. Gerade bei Stadtquartiersentwicklungen kann man Quartiersgaragen schaffen, aber auch Sharing-Autos und Sharing-Lastfahrräder anbieten, die allen zur Verfügung stehen. Dazu kann man den Bewohnerinnen und Bewohnern günstige MVV-Tickets zur Verfügung stellen. Dann können die Leute genau die Mobilität auswählen, die sie gerade brauchen, ohne dass jeder ein eigenes Fahrzeug vor der Tür stehen hat. Solche Angebote kann eine Kommune bei Neubauprojekten zur Vergabebedingung machen.

Gebhard Wulfhorst – Die Angebote kommen zum Teil von den Investoren selbst. Für die ist es bei der Quartiersentwicklung nämlich von Vorteil, weniger Stellplätze bauen zu müssen, als es die Stellplatzsatzung fordert. Gerade bei städtischen Bauprojekten kosten Tiefgaragenplätze sehr viel Geld und verschlechtern durch den vielen Beton die Klimabilanz. Wenn man rechtzeitig kooperiert und diesen Bedarf durch geschickte Mobilitätskonzepte verringert, kann man den knappen Raum besser nutzen. Wir haben das im Domagkpark und bei Projekten in Würzburg untersucht. Gute Konzepte umfassen Mobilitätsstationen, die weit über Sharing-Angebote hinausgehen. Das sollte in Zukunft stärker berücksichtigt werden, denn der Straßenraum ist knapp und sollte sinnvoll bewirtschaftet werden. Das führt unweigerlich zu der Frage, wie viel ein Stellplatz für das Auto oder die Nutzung der Straßen in Form einer City-Maut kosten sollte. Das kann man zumindest diskutieren. Städte wie Stockholm haben das bereits erfolgreich umgesetzt.

Wolfgang Fischer – Uns ist die politische Diskussion an dieser Stelle ein wenig zu einseitig, denn es geht meist nur um Verbote und Abkassieren. Wir müssen in München aufpassen, dass neben dem Wohnen auch die individuelle Mobilität auf Dauer nicht nur noch Wohlhabenden vorbehalten ist. Daher sollten auch positive Anreize wie eben ein günstiger öffentlicher Personennahverkehr gefördert werden. Corona hat es gezeigt: Es gibt ein Grundbedürfnis nach individueller Mobilität. Während der Pandemie ist die Hälfte derjenigen, die statt öffentlicher Verkehrsmittel lieber eigene Fahrzeuge genutzt hat, auf das Fahrrad umgestiegen. Die andere Hälfte ist dagegen auf das Auto ausgewichen. Hinzu kommt die enorm gestiegene Freizeitmobilität am Wochenende.

„ICH GLAUBE NICHT, DASS WIR IN DEN NÄCHSTEN JAHREN WENIGER AUTOS AUF DEN STRASSEN SEHEN WERDEN.“

Bernd Rosenbusch – In diesem Bereich sind die Versäumnisse der Vergangenheit beim Ausbau des öffentlichen Verkehrs besonders deutlich. In Garmisch baut der Bund für mindestens eine Milliarde Euro drei neue Tunnel, aber über ein zweites Bahngleis auf der Strecke wird nicht einmal nachgedacht. Das zweite Gleis gab es übrigens auf weiten Strecken schon einmal, es wurde für die Olympischen Winterspiele 1936 gebaut und im Krieg wieder abgebaut. Diese langfristigen, verkehrspolitischen Entscheidungen, die ja nicht in den letzten drei Jahren getroffen wurden, sind dramatisch. Wenn die Tunnel erst einmal fertig sind, wird der Parkverkehr rund um Garmisch erst richtig problematisch. Die Steuerung der Freizeitmobilität ist schon jetzt für den gesamten südbayerischen Alpenraum eine enorme Herausforderung.

Bauprojekte brauchen in Deutschland sehr viel Zeit. Erhöht das nicht die Gefahr, am Bedarf vorbei zu bauen? Wer weiß denn, ob 2040 noch so viele Autos fahren oder ob nicht bereits Robo-Taxis unterwegs sind?

Jürgen Mindel – Ich glaube nicht, dass wir in den nächsten Jahren weniger Autos auf den Straßen sehen werden. Denn selbst wennwir eines Tages Robo-Taxis haben sollten, werden die Menschen damit in die Stadt fahren. Verkehrstechnisch macht es jedoch keinen Unterschied, ob die Menschen mit einem eigenen Fahrzeug oder in einem Robo-Taxi kommen. Was wir uns überlegen sollten, und das testen wir in diesem Jahr auf der IAAMobilityim Rahmen eines Pilotprojekts, sind die Einführungen von Umweltspuren. Das heißt, wir definieren auf mehrspurigen Straßen eine Spur, auf der Fahrer bevorzugt behandelt werden, die bestimmte Kriterien erfüllen. Wir testen das auf derIAA Mobilitymit der Blue Lane. Sie wird Autos vorbehalten sein, die entweder mit mindestens drei Personen besetzt sind oder mit einem klimaneutralen Antrieb fahren. Das ist mit Sicherheit eine Alternative, die den Verkehr in der Stadt entlasten kann, weil sie die Menschen dazu motiviert, nicht mehr als Einzelperson unterwegs zu sein, sondern Fahrgemeinschaften zu bilden und dadurch das Verkehrsaufkommen zu reduzieren.

Gebhard Wulfhorst – Im Grunde ist Stau ein wertvolles Phänomen, denn es zeigt die Begrenztheit der Ressourcen auf und weist überdeutlich auf das Platzproblem in den Städten hin. Umweltspuren sind ein interessantes Modell, aber wir sollten uns gut überlegen, nach welchen Kriterien wir diesen Platz vergeben. Da halte ich die Flächeneffizienz für ein wesentliches Kriterium, und an dieser Stelle hilft uns das Elektroauto nicht weiter, weil es fürs Parken genauso viel Platz benötigt wie ein Auto mit Verbrennungsmotor.

Trotz staatlicher Förderung sind die Kunden beim Kauf von E-Autos noch zurückhaltend, sagt Gerhard Böschl, Geschäftsführender Gesellschafter der Automobilforum Kuttendreier GmbH.

Sabine Effner – In Norwegen hat man als Fördermaßnahme Fahrern von Elektroautos gestattet, die Busspur zu benutzen. Das wurde vor kurzem zurückgenommen, weil in Oslo auf einmal auch die Busse im Stau standen. Deshalb sind wir seitens der Verwaltung der Ansicht, dass die Busspur tatsächlich den öffentlichen Verkehrsmitteln vorbehalten bleiben sollte und eher eine zusätzliche Umweltspur für mehrfach besetzte Fahrzeuge eingerichtet wird, wo das möglich ist. Das Elektroauto ist am Ende eben auch ein Fahrzeug und leistet zwar einen wichtigen Beitrag zur Energiewende, nicht aber zur Mobilitätswende.

Robert Klug – In Verbindung mit der Digitalisierung kann das Elektroauto durchaus zu beidem beitragen. Der Parkplatzsuchverkehr ist ja ein nicht zu unterschätzender Faktor. Wir merken als wachsendes Unternehmen mit 530 Mitarbeitern, dass selbst in Unterföhring die fehlenden Stellplätze zum Problem werden. Deshalb haben wir die Stellplätze in der Tiefgarage unseres Bürogebäudes digital erfasst. Ein Mitarbeiter, der mit dem Auto kommt, muss vorab seinen Desktop und seinen Stellplatz buchen, ehe er losfährt. Nur wenn beides verfügbar ist, kommt er ins Büro. Es ist nämlich ziemlich sinnlos, wenn sich vor dem Gebäude die Mitarbeiter stauen, die zwar einen freien Desktop haben, aber keinen freien Parkplatz finden. Unsere Beschäftigten haben sich gut darauf eingestellt und wissen auch, wer wann und wie lange arbeitet. Es sind ja nicht ständig alle Leute im Büro, sondern viele unterwegs. Das heißt sie wissen, wann sie kommen und buchen sich deshalb vorher ein. 

„UNTERNEHMEN SIEDELN SICH NICHT MEHR AN DEN STANDORTEN AN, WENN IHRE MITARBEITER DORT NICHT ENTSPRECHENDE PARKMÖGLICHKEITEN VORFINDEN.“

Gebhard Wulfhorst – Das ist ein schönes Beispiel dafür, wie wir auf Quartiersebene das Thema Ladesäulen angehen möchten: in dem man freie Kapazitäten vorab bucht. Im Rahmen des Münchner Clusters für die Zukunft der Mobilität in Metropolregionen untersuchen wir an der TUM, wie stark und wann Ladesäulen in Quartieren ausgelastet sind. Die Städte können die Probleme nämlich nur im Verbund mit den Entwicklern von Bauprojekten lösen. Da hoffe ich in Zukunft auf viele gute Ideen, die man auf der Internationalen Bauausstellung „Räume der Mobilität“, die ab 2022  in München über einen Zeitraum von zehn Jahren stattfinden soll, präsentieren und verbreiten kann.

Robert Klug – Wir bekommen vermehrt Anfragen von Vermietern großer Bestandsimmobilien rund um München, die mit Leerständen zu kämpfen haben. Die werden hergerichtet und mithilfe von Sharing-Modellen für Gewerbeflächen, Parkraum und Ladesäulen vermarktet. Die Unternehmen siedeln sich dort nämlich nicht an, wenn ihre Mitarbeiter nicht die entsprechenden Parkmöglichkeiten und -angebote vorfinden. Was nützt denn günstiger Büroraum, wenn die Mitarbeiter abspringen? Wenn die Vermieter Leerstand vermeiden wollen, müssen sie also etwas im Bereich Mobilität tun.

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Der runde Tisch teilnehmer

  • Gerhard Böschl

    ist seit April 2010 Geschäftsführender Gesellschafter der Automobilforum Kuttendreier GmbH,

    die mit 140 Mitarbeitern an vier Münchner Standorten zuletzt einen Jahresumsatz von mehr als 100 Millionen Euro erwirtschaftete. Der Kfz-Meister und Betriebswirt ist seit 35 Jahren auf verschiedenen Positionen für das Autohaus tätig, seit 23 Jahren im Konzern der AVAG Holding, zu der die Automobilforum Kuttendreier GmbH gehört.

  • Sabine Effner

    ist seit Februar 2021 Stadtdirektorin und Stellvertreterin des Mobilitätsreferenten der Landeshauptstadt München. 

    Sie studierte Rechtswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Nach dem zweiten Staatsexamen begann sie ihre Laufbahn in der Rechtsabteilung des Kreisverwaltungsreferats, wo sie für die Hauptabteilung Straßenverkehr zuständig war. 2003 übernahm sie die Leitung des Veranstaltungs- und Versammlungsbüros. 2012 wurde sie Leiterin der Abteilung Verkehrsmanagement.

  • Wolfgang Fischer

    ist seit Februar 2004 Geschäftsführer des CityPartnerMünchen e.V., 

    einer Unternehmensinitiative der Münchner Innenstadt. Nach seinem Studium der Wirtschaftsgeographie, Kommunikationswissenschaft und Kunstgeschichte an der TU München übernahm Fischer verschiedene Positionen in Standortberatung und Marktforschung. 1996 wurde er Geschäftsführer im Landesverband des Bayerischen Einzelhandels, 2001 Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands LAG-Bayern.

  • Robert Klug

    ist seit September 1993 Geschäftsführer der Claus Heinemann Elektroanlagen GmbH in Unterföhring. 

    Der gelernte Elektrotechniker begeistert sich für neue technische Entwicklungen und ist seit Oktober 2013 CEO der iHaus AG. Das Spin-off der Claus Heinemann Elektroanlagen GmbH beschäftigt sich mit Internet of Things-Lösungen für Gebäude und Mobilität.

  • Jürgen Mindel

    ist seit Oktober 2020 Geschäftsführer des Verbandes der Deutschen Automobilindustrie (VDA) 

    und verantwortet den Geschäftsbereich Kommunikation und Medien & Internationale Automobilausstellung. Nach dem Studium der Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin war Mindel unter anderem für den Deutschen Bundestag tätig, ehe er 2007 zum VDA wechselte.

  • Dr. Bernd Rosenbusch

    ist seit Oktober 2018 Geschäftsführer der Münchner Verkehrs- und Tarifverbund GmbH (MVV). 

    Nach seinem Studium der Betriebswirtschaft an der Universität Mannheim mit anschließender Promotion begann er seine Karriere 2001 bei der Deutschen Bahn AG. 2015 wurde er Vorsitzender der Geschäftsführung und Kaufmännischer Geschäftsführer der Bayerischen Oberlandbahn GmbH und der Bayerischen Regiobahn GmbH.  

  • Prof. Dr.-Ing.
    Gebhard Wulfhorst

    leitet seit Juli 2006 den Lehrstuhl für Siedlungsstruktur und Verkehrsplanung der Technischen Universität München (TUM). 

    Nach seinem Studium des Bauingenieurwesens in Aachen und Paris promovierte er 2003 an der RWTH Aachen. Er ist im Aufsichtsrat des europäischen Innovationsnetzwerkes EIT Urban Mobility und Co-Sprecher des BMBF-Zukunftsclusters MCube, das ab Herbst 2021 in der Metropolregion München startet.

Der Runde Tisch – Mobilität der Zukunft

Sich individuell und motorisiert fortbewegen zu können, bedeutet Freiheit.
Doch in den Städten ist die Freude am Fahren längst dem Frust über den Stau
gewichen. Neue Lösungen sollen alle wieder flott machen.

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