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Die Logistik der Zukunft
Der Warenverkehr wird immer schneller, pünktliche Zustellung ist wichtiger denn je: Die moderne Logistik steht vor großen Herausforderungen. Mittelständler setzen auf unkonventionelle Ideen und spannende digitale Anwendungen.
Transportmanagement heute: Technische Innovationen spielen in der Logistik eine wichtige Rolle. – Foto: Adobe Stock
Im Berufsverkehr staut es sich an der Kreuzung, nichts geht mehr. Wie so oft. Doch etwas ist heute anders: Neben den Fahrzeugkolonnen schlängelt sich elegant und wendig eine Reihe paketbeladener Leichtfahrzeuge durch die Straßen und bahnt sich ihren Weg durch den Großstadtdschungel zur Zustelladresse. Was nach Zukunftsmusik klingt, könnte Standard für die Logistik im urbanen Raum werden.
Die Zustellerin fährt voraus, das elektrische Transportsystem hinterher. Bildmontage: Ducktrain
Ohne digitale Anwendungen geht nichts
Technische Innovationen spielen in der Logistik eine immer wichtigere Rolle. Laut einer Studie der KfW haben mit knapp 66 Prozent rund zwei Drittel der Firmen in Deutschland fest vor, in den kommenden zwei Jahren in die Digitalisierung zu investieren. Für die Unternehmen stecken dahinter große Anstrengungen, die sie mit Engagement angehen. Gegenüber der Vorjahresbefragung ist der Anteil der Unternehmen mit fest geplanten Digitalisierungsvorhaben sogar um knapp sieben Prozent gestiegen. Klar, dass dieser Digitalisierungstrend vor der Logistik nicht halt macht. Im Gegenteil: Neben Vertrieb und Verwaltung zählt auch die Materialwirtschaft inklusive des Kontakts zu Zulieferern und die Logistik zu den am häufigsten genannten Digitalisierungsfeldern.
In der Logistik funktioniert die digitale Unterstützung für Mitarbeiter vom Lager bis zur letzten Meile. Und gerade dort, beim Endkunden, sind die Herausforderungen besonders groß. Die zunehmende Urbanisierung – schon heute wohnen rund 77 Prozent aller Deutschen in Städten – und der Siegeszug des E-Commerce fordern neue, smarte Lösungen.
Staus und rote Ampeln? Kein Problem
„In den Großstädten ist immer weniger Platz für den Lieferverkehr, während gleichzeitig die Nachfrage nach Home Delivery steigt“, sagt Kai Kreisköther. Bis Ende 2018 war Kreisköther Mitarbeiter am Lehrstuhl für „Production Engineering of E-Mobility-Components“ der RWTH Aachen. Dann gründete er gemeinsam mit zwei Co-Foundern „Ducktrain“, ein automatisiertes Fahrzeugsystem mit elektrischen Fahrzeugen, das dem Zusteller auf Schritt und Tritt folgt.
Lieferdienste müssen heute auch die unzugänglichsten Winkel der Städte ansteuern, doch scheitern oft an engen Zufahrten oder gesperrten Straßen. Mit bis zu 25 Stundenkilometer Geschwindigkeit und einer Nutzlast von je 300 Kilo ist der „Entenzug“ auf Fahrradwegen und sogar Gehwegen einsetzbar und umgeht Einfahrtsbeschränkungen für konventionelle Transporter, rote Ampelwellen und Verkehrstaus. „Wir wollten nicht irgendein sexy Start-up gründen, sondern echte Prozessinnovationen und greifbaren technischen Fortschritt auf die Straße bringen“, sagt Kai Kreisköther, der CEO der Aachener Firma. Seinen Angaben nach werden die ersten Prototypen noch in diesem Jahr durch Aachens Innenstadt fahren.
Smarte Helfer im Lager
Ein Blick zurück von der letzten Meile ins Warenlager zeigt, dass auch hinter den Kulissen digitale und smarte Lösungen den Arbeitsalltag in der Logistik erleichtern – zum Beispiel durch sogenannte „Wearables“. Also Computeranwendungen, die am Körper oder Kopf getragen werden und eine Tätigkeit in der realen Welt durch zusätzliche Informationen unterstützen. Auch im B2B-Bereich und gerade in der Logistik kommen solche smarten Helfer immer öfter zum Einsatz.
Die Mitarbeiterin wird durch eine Datenbrille zum Produkt geführt: Alltag beim Logistiker Ecomal aus dem Schwarzwald. – Foto: Picavi
Die Ecomal Europe GmbH aus Kirchzarten im Schwarzwald ist ein Logistikunternehmen mit 40 Jahren Firmengeschichte und setzt heute auf eine Pick-by-Vision-Lösung, um die Produktivität im Lager zu steigern und Fehler zu minimieren. Pick-by-Vision ermöglicht die konsequente visuelle Führung über Datenbrillen bei der Kommissionierung von Waren. Der Mitarbeiter im Lager hat durch das Tragen der Datenbrille beide Hände frei für die primäre Arbeit: das „Picken“ der Waren, wie Logistiker sagen, also das gezielte Herausnehmen aus dem Regal. In der Datenbrille wird dem Mitarbeiter die Lagerplatzkoordinate angezeigt. Er begibt sich zu diesem Lagerplatz und erfasst den entsprechenden Artikel mit der Datenbrille. Hat er diesen Schritt erfolgreich erledigt, gibt ihm die Brille ein Zeichen.
Hohe Ergonomie,
intuitive Bedienung
Peter Kraus, Logistic Manager der Ecomal Europe GmbH, über Smart Glasses in der Logistik
Seit wann setzen Sie im Arbeitsalltag auf dieses Wearable, und warum?
Wir arbeiten seit Juni 2017 mit der Pick-by-Vision-Lösung von Picavi. Die Lösung bringt unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gerade im Hinblick auf die Ergonomie viele Vorteile. Die Datenbrillen sind angenehm zu tragen und im Arbeitsalltag keine Belastung. Darüber hinaus wurde das User-Interface innerhalb der Datenbrille genau an unsere Abläufe und die Bedürfnisse der Mitarbeiter angepasst.
Wie haben Sie vor Einführung der Smart Glasses gearbeitet?
Bevor wir Pick-by-Vision eingeführt haben, wurden alle Picking-Prozesse papiergebunden durchgeführt. Beim Einlagerungsprozess hatten wir keine Verifizierung am Lagerort, was immer wieder zu Falscheinlagerungen geführt und damit unsere Abläufe verzögert hat.
Welche Vorteile sehen Sie in den Wearables?
Die Pick-by-Vision-Lösung ist bei unseren Mitarbeitern aufgrund ihrer hohen Ergonomie und der intuitiven Bedienung sehr beliebt. Im gesamten Prozess sorgt sie für große Zeitersparnis. Die Verifizierung erfolgt direkt am Lagerort durch das Abscannen der Barcodes. Die Picker erhalten bei der Ein- und Auslagerung in Echtzeit eine Rückmeldung. Das sorgt für hohe Prozesssicherheit. Dadurch, dass immer beide Hände frei sind, ist ein ungehindertes Warenhandling im gesamten Prozess sichergestellt. Die Mitarbeiter können sich mit Pick-by-Vision voll auf ihre Kerntätigkeit konzentrieren.
Abstand halten mit dem Datenhandschuh
In den Logistiklagern hat man auch mit einer Konsequenz der Corona-Pandemie zu kämpfen: mit den neuen Abstandsregelungen. Im Arbeitsalltag sind diese nicht immer leicht einzuhalten. Doch auch hier helfen smarte Lösungen – wie der Datenhandschuh von ProGlove. Die Wearables der Firma aus München nutzen dazu die Möglichkeiten von Bluetooth Low Energy, um den Abstand zueinander festzustellen. Kommen sich Mitarbeiter zu lange zu nahe, erhalten sie ein Warnsignal. Seit 2014 entwickelt das Münchner Unternehmen ProGlove, ein Spezialist für Industrie-Wearables, solche intelligenten Lösungen für die Logistik und andere Branchen. Der Handschuh bringt relevante Informationen dorthin, wo sie die Mitarbeiter in den globalen Supply Chains am meisten benötigen: auf den Handrücken. „In der Logistik bedeutet Zeit bares Geld. Wir können den Zeitaufwand für das Barcode scannen um bis zu 50 Prozent reduzieren und minimieren typische Kommissionierungsfehler um bis zu 33 Prozent. Das lohnt sich nicht nur für große Unternehmen, sondern auch für kleine Logistiker mit circa 100 Scan-Vorgängen am Tag“, sagt Axel Schmidt von ProGlove.
ProGlove-Mitgründer Thomas Kirchner (links) und CEO Andreas König. – Fotos: ProGlove
Mehr Nachhaltigkeit durch genaue Ressourcenplanung
In der Logistik spielt Nachhaltigkeit, wie in anderen Bereichen auch, eine wichtige Rolle – speziell im Bereich Lebensmittel. Diese landen viel zu oft im Abfall, weil ihr Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist. Der Grund: Ungenaue Datengrundlagen und Schätzungen führen schnell zu Out-of-Stock-Situationen oder Überbeständen. Diesem Problem wollte Geyer Food Konzept, ein Logistikdienstleister für Gastronomie und Großverbraucher in der Region Bodensee-Ulm-Allgäu, entgegenwirken und verabschiedete sich von unzuverlässiger Ressourcenplanung.
Stattdessen setzt der Logistiker jetzt auf die intelligente Bestandsmanagement-Software LogoMate des Softwareentwicklers Remira. Diese Software optimiert die Bestände im Lager durch automatische Absatzprognosen sowie Bestell- und Dispositionsvorschläge. So kann Geyer Food Konzept die Bedarfe und Absatzzahlen genauer vorhersehen und damit Kapital- und Lagerkosten reduzieren. Michael Milkowski, verantwortlich für das Marketing bei Remira, erklärt: „Für eine optimale Beschaffung und eine reibungslose Logistik muss in kurzer Zeit eine ganze Flut von Informationen verarbeitet und richtig interpretiert werden.“ Mit positivem Effekt: „So wandern weniger Lebensmittel in die Tonne und die LKW fahren immer mit optimaler Beladung.“
Wie viel Gemüse wird heute verkauft? Intelligente Bestandsmanagement-Software hilft, Überbestände zu vermeiden. – Foto: Adobe Stock
In vielen Unternehmen sind neue Technologien mittlerweile fest etabliert, in anderen werden sie schrittweise Einzug halten. Doch dafür sind zunächst Investitionen notwendig.
Kleinen und mittleren Unternehmen, die auf eine tragfähige Finanzierung ihrer Ideen setzen, bietet die KfW interessante Fördermöglichkeiten – zum Beispiel den ERP-Digitalisierungs- und Innovationskredit. Dieser bietet neben einem Darlehen auch einen Förderzuschuss. So ist beispielsweise die GPS-gestützte Echtzeitverfolgung von Paketen oder Containern ebenso förderfähig wie 3D-Druck-Verfahren als zusätzliches Geschäftsfeld für Logistikdienstleister.
Spannende Perspektiven für den Mittelstand. Die Zukunft der Logistik, so viel steht fest, hat bereits begonnen.
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