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Die große regionale Wirtschaftsbeilage

Zwischen Steinen und Sternen

Wir haben mit dem Freisinger Johann Seidl über seinen ausgezeichneten Garten und die Charaktere darin gesprochen 

Am liebsten draußen: Johann Seidl. Foto: privat

Am liebsten draußen: Johann Seidl. Foto: privat

Johann Seidl beschreibt sich selbst als „Gartenpoet“ – der Begriff ist ihm eingefallen, als er sich ein Instagram-Konto eingerichtet hat. Und es passt. Seidl ist Förster, war zwölf Jahre lang Revierleiter in der Oberpfalz und hat das Gärtnern von seinem Vater gelernt. Gleichzeitig schreibt er Lyrik, Science-Fiction und malt Landschaften. Ein Mix, der ihm im Alltag als Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit in der Landesanstalt für Forstwirtschaft Weihenstephan ebenso Flügel verleiht wie als Ehemann und Vater zweier erwachsener Kinder.

 

Herr Seidl, was ist ein Garten? Ein Raum für Nutzpflanzen oder mehr?

Johann Seidl: Erst mal, kein Garten, das ist ein aufgeschütteter, glattgezogener Haufen Steine, so wie diese Schottergärten, Bade– und Wellnessoasen oder Outdoorküchen mit Außenwohnzimmer. Natürlich soll ein Garten Platz haben zum Grillen, Baden und so weiter. Aber er sollte ein Stück Natur bleiben. Natur im kulturellen Kontext. Wobei ich persönlich meinen Schwerpunkt auf die Selbstversorgung mit Gemüse und Obst lege.

Dann muss der Winter ja in Sachen Garten wenig erfreulich für Sie sein. Es wächst nichts.

Doch, es gibt so einige Wintergemüse. Man muss über manche Beete halt ein Vlies drüberlegen. Es gibt Feldsalat – da ist es praktisch, ein Vlies darüber zu legen um auch im Schnee an den Salat heran zu kommen, Pastinakenwurzeln, Grünkohl. Und ich habe einen neuen Kohl entdeckt, Butterkohl! Er wird im Laufe des Winters gelb und ist zarter als Grünkohl. Dann noch Petersilienwurzel, Haferwurz … Und wenn Schnee über allen Formen liegt, ist das doch auch schön.

Es geht im Garten also auch um Schönheit?

Schön ist ja für jeden etwas Anderes. Für mich ist das Schönste, wenn im Frühjahr überall die Narzissen und Tulpen sprießen, das Gras zart nach oben wächst. Oder im Sommer der Mohn und später die Sonnenblumen. Ich habe ungefähr drei Blüte-Höhepunkte im Jahr. Wenn ich mehr Zeit hätte, würde ich für Blütenpracht das ganze Jahr über sorgen. Schön ist aber auch, wenn ich sehe, wie das Gemüse, das ich gepflanzt habe, langsam seine jeweils besonderen Blattformen zeigt, wenn es wächst und gedeiht.

 

Damit etwas wächst und gedeiht, braucht es nicht nur Wissen, sondern auch ein gewisses Gespür. Kann man sich den Grünen Daumen antrainieren?

Ich glaube, es gibt keinen Grünen Daumen. Gärtnern ist Interesse und Bemühen, und wenn einem was eingeht, sind es oft marketingtechnische Billigpflanzen, die nur so lange halten, bis alle Töpfe verkauft sind. Inzwischen gibt es zum Glück unzählige Gartenliteratur in den Buchhandlungen, hilfreiche Gartenblogs oder Gartengruppen auf Facebook. Dort kann man sich alles nötige Know-how aneignen. Oder ein Foto hochladen und sein Problem beschreiben. Das ist heute kein Zauberwerk mehr. In Veitshöchheim gibt es auch ein Gartentelefon, wo man unter 09 31/98 01 33 33 guten Rat bekommt.

Geht Ihnen auch manchmal etwas ein?

Bei mir klappt natürlich auch nicht alles. Die Pastinaken sind zum Beispiel heuer nichts geworden. Dann muss ich analysieren, was ich falsch gemacht habe. Die wollten wohl zeitlich nicht so nah aufeinandersitzen, das ist mir beim Säen schon in den Sinn gekommen, aber ich habe es nicht genug beachtet.

Gehen Sie als Förster eigentlich anders an einen Garten ran als der normale Hausmann?

Als gelernter Spezialist für Pflanzen, Tiere und Wachstum profitiere ich als Gärtner schon ein wenig. Ich habe Forstkonzepte im Kopf, die ich im Garten anwende. Im Wald denkt man ja groß und in Generationen, zum Beispiel was die räumliche und zeitliche Anordnung angeht. Ich kombiniere Standorte, Wachstumsgeschwindigkeiten und Bodennutzung vorausschauend, versuche, alles im Kopf zu behalten, um ein gutes Ergebnis zu erhalten. Das klingt nüchterner, als es ist, aber genauso lässt die Forstwirtschaft seit Jahrhunderten den nachhaltigen Rohstoff Holz in artenreichen Wäldern wachsen.

    Zu Ihrer Gartenkunst gehört auch Poesie. Wie genau verbinden Sie beides, Gärtnern und Lyrik?

    Pflanzen sind mir näher als Menschen. Vielleicht kommen deshalb in meinen Gedichten nicht immer, aber oft Pflanzen und die Natur vor. In menschlicher Gesellschaft erlebe ich mich manchmal als sonderbar, neben Pflanzen fühle ich mich eins mit allem. Die Themen in meinen Gedichten drehen sich daher meistens ums Menschsein im Spiegel der belebten und unbelebten Natur.

     

    Reden Sie mit Ihren Pflanzen?

    Nur anlassbezogen, manches muss ja gejätet werden. Da sage ich schon mal kurz sorry, mein Freund. So wie auch mit einem Regenwurm, den ich versehentlich ausgrabe und dann umbetten muss. Ansonsten spüren die Pflanzen sicher meine Bewunderung. Zum Beispiel die Sonnenblume, wenn ich ihren starken Stamm spüre, der den großen Blütenteller trägt.

     

    Haben Pflanzen einen Charakter?

    Es gibt so viele Überlebenskünstler im Garten! Manche Pflanzen können sich so schnell und fruchtbar vermehren. Zum Beispiel Vogelmiere, die kann alles zuwuchern und die Keimlinge, die man eigentlich gesät hat, bekommen dann kein Licht. Das stört den Gärtner, aber an sich sind diese Pflanzen unglaublich interessant.

     

    Auch Indisches Springkraut?

    Springkraut ist problematisch, weil es sich im Freiland unkontrolliert verbreiten kann. In meinem Gärtchen habe ich es im Griff, die Sämlinge sind leicht zu jäten, manche lasse ich stehen für Insekten. Angeblich sollen ja die Imker die Pest losgelassen haben (lacht). Womit ich mehr hadere ist Giersch. Der ist auch sehr wuchsfreudig. Ihn schnell mal auszuzupfen ist nicht möglich auf meinem eher lehmigen Boden. Ich müsste mit dem Bagger den Boden ausheben und Gartenboden auftragen. Ich muss also mit dem Giersch zurechtkommen. Er ist ebenso eine Hater-Pflanze wie das Springkraut. Posten Sie mal „Was soll ich mit meinem Giersch machen?“ auf Facebook. Da gibt es Threads bis Südafrika.

      Gartenkunst mit Pinsel: Mohnblüte. Bild: Johann Seidl

      Gartenkunst mit Pinsel: Mohnblüte. Bild: Johann Seidl

      Haben Sie auch Lieblingspflanzen?

      Rosen müssen natürlich sein für die Herrin des Hauses. Davon abgesehen mag ich Birken und Vogelbeeren. Das sind Pionierbäume, die überall als erste Bäume wachsen. Wenn ein Vulkan ausgebrochen ist, steht als erstes die Birke wieder da. Birken werden später von anderen Baumarten mit längerem Atem wie Eichen oder Buchen überwuchert. Dieser Kraft, neues, Unbekanntes zu erschließen um das Feld zu bereiten, fühle ich mich nahe.

       

      Sie malen relativ düstere Bilder. Sind Ihre Pflanzen ein Schutzwall gegen die bedrohlicheren Dinge in der Welt?

      Ja, ein schützender Mantel nicht nur gegen die Außenwelt, sondern auch gegen eine düstere Innenwelt. Wenn man ganz unten ist, ist es zappenduster. Auf meinen Bildern kommen auch keine Menschen vor. Nur so viel: Ich wurde als Kind vom Links- zum Rechtshänder umerzogen, wofür man mir zwei Wochen lang den Arm hinter dem Rücken festband. Ich bin froh, dass ich heute einen Pinsel halten kann.

       

      Was sagen Ihre Frau und Ihre Kinder zu Ihrer Gartenleidenschaft? Sie stehen ja täglich frühmorgens und gleich nach Feierabend wieder im Grünen.

      Meine Frau liebt den Garten ebenfalls wegen des frischen Gemüses und nutzt ihn zur Erholung. Außerdem sieht sie mich im Gartenkosmos gut aufgehoben, er tut mir gut. Mit Viechern, Steinen und Sternen, zwischen Gemüse und Lehmbaz und Blumen fühle ich mich wohl! Meine Kinder haben mir kürzlich geschrieben: „Du hast eine Oase geschaffen mit Lebewesen und tollen Farben, ohne dass es gewollt aussieht.“ Ich hab‘ halt keinen Rasenkantenschneider. Ich hab‘ nicht mal einen Rasen, sondern eine Wiese. Alles sieht organisch aus.

       

      Am Ihrem Gartentor hängt eine Plakette. Wer hat die verliehen?

      Mein Garten ist vom Bayerischen Landesverband für Gartenbau und Landespflege als „Naturgarten“ zertifiziert. Zertifizierung und die Plakette „Bayern blüht – Naturgarten“ würdigen eine boden- und wasserschonende Gartenbewirtschaftung sowie den Erhalt der Artenvielfalt im Haus- und Kleingarten. Nur ein Garten, der eine Eigendynamik hat und in dem nicht alles dressiert ist, bekommt so eine Plakette.

       

      Toll! Und das bei dem lehmigen Boden.

      Vielleicht gerade deshalb. Und wegen meiner sonstigen Interessen und der Vollzeit-Arbeit. Ich kann nicht alles tun, was ich will. Der Garten hat mitgeredet. Das ist wichtig.

       

      Herr Seidl, vielen Dank für das Gespräch.