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Bei der Bewertung des Arbeitsmarktes für IT-Fachkräfte sind sich alle Teilnehmer einig. Neben größeren Anstrengungen, über Ausbildungs- und Rekrutierungsmaßnahmen neue Mitarbeiter zu gewinnen, müssen Unternehmen und öffentliche Auftraggeber darauf achten, ihre bestehende Belegschaft an sich zu binden. Das ist angesichts der vermehrten Tätigkeit im Homeoffice eine wichtige Aufgabe für Führungskräfte. Foto: The Point of View Photography
Jörg Ochs – Es ist ein Teufelskreis, aus dem wir herauskommen müssen. Einerseits tun wir uns als öffentliches Unternehmen manchmal schwer, die Leute von uns zu überzeugen. Wir sind ein Versorgungsunternehmen, und das hört sich für viele nicht sonderlich spannend an. Wenn sie dann erst mal da sind und sehen, welch spannende Sachen wir machen und wie weit wir bei Themen wie künstliche Intelligenz sind, dann sieht es schon ganz anders aus. Damit rechnen viele nicht. Wir können die Mitarbeiter definitiv durch spannende Projekte halten. Ich gebe ihnen darüber hinaus auch viele Freiheiten, an Innovationsthemen zu arbeiten. Zum Beispiel in einem i-Hub, das intern zunächst auf Vorbehalte stieß, weil sich die Leute die Themen frei aussuchen können. Da wurde ein Urban Gardening-Projekt mit IoT-Sensoren ausgestattet, Recup-Becher mit Bilderkennung versehen oder ein Fledermausscanner entwickelt. Der erfasst die Geräuschdaten der Tiere, sodass wir die verschiedenen Arten identifizieren und in einer Karte erfassen konnten. Da wird man dann schon gefragt, wozu das gut sein soll. Erstens binden wir so die Leute und bekommen bei Jüngeren ein gutes Image. Zum anderen beschäftigen sich die Mitarbeiter freiwillig mit künstlicher Intelligenz. Diese Expertise kommt uns dann bei Projekten für Kraftwerke oder U-Bahnen zugute. Außerdem stellen wir diese Projekte auf Konferenzen vor und werben damit für uns als spannenden Arbeitgeber. Dafür habe ich eigens eine Marketingspezialistin eingestellt, die den IT-Mitarbeitern hilft, die Präsentationen professionell zu gestalten.
Ralf Malter – Es ist nach wie vor ein heißer Arbeits- beziehungsweise Bewerbermarkt. Trotzdem ist es uns gelungen, eine signifikante Zahl an Stellen zu besetzen. Dafür haben wir das Recruiting erweitert und erklären unsere Benefits besser, wie etwa das Arbeiten innerhalb der EU. Die Themen Diversity, Equity und Inclusion tragen wir nach außen und nach innen. Das wird wahrgenommen, begeistert die Leute und strahlt auch auf den Bewerbermarkt aus. Die Situation wird sich auf absehbare Zeit nicht entspannen, weshalb jedes Unternehmen den für sich passenden Weg finden muss, um Mitarbeitende zu finden.
Markus Hertrich – In München ist es weder schlechter noch besser geworden, es bleibt ein umkämpfter Markt. Aufgrund der größeren Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsort haben wir heute jedoch mehr Möglichkeiten, um Mitarbeiter zu gewinnen. Die Personalsuche ist stark themen- und projektgetrieben, deshalb ist es sehr wichtig, beispielsweise auf Personalmessen und Hochschulevents diese attraktiven Inhalte zu den Studierenden zu transportieren. Wenn man sich diesbezüglich gut aufstellt, findet man schon Leute. Man muss halt neue Wege gehen. Von daher bin ich insgesamt zuversichtlich.
Vor allem für bestimmte SAP-Anwendungen seien kaum Fachkräfte zu finden, beklagt Dr.-Ing. Jörg Ochs, Leiter der Informationstechnologie der Stadtwerke München. Aus diesem Grund hat er im Frühjahr ein Boot Camp zur Qualifizierung von Quereinsteigern durchgeführt. Foto: The Point of View Photography
Denis Wiegel – Gerade fiel das Stichwort Diversity. Schaeffler ist überall in der Welt mit Werken vertreten, weshalb ich auf einen globalen Pool zugreifen kann. Das macht es in manchen Bereichen einfacher. Wir konkurrieren als fränkisches Unternehmen vielleicht nicht direkt mit München, aber Schweinfurt ist nicht gerade ein Magnet, der Mitarbeiter anzieht. Einem jungen Data-Science-Mitarbeiter zu sagen, er solle von seinem Studienort in unser Headquarter nach Schweinfurt kommen, löst selten Freudensprünge aus. Da hat die Krise vielen Unternehmen Chancen eröffnet, weil sie merken, dass die Mitarbeiter nicht in Schweinfurt sitzen müssen, um erfolgreich zu sein. Gerade wenn es um die Digitalisierung von globalen Aufgaben wie Sales und Marketing geht, muss man die Köpfe und Strukturen für neue Modelle öffnen. Dann können die neuen Kollegen auch am anderen Ende der Welt sitzen. Es war für uns als traditionelles Unternehmen eine sehr wichtige Erfahrung, zu sehen, dass wir uns aus einem viel größeren Pool an Talenten bedienen können, der weder auf eine Stadt noch auf eine Region oder eine Sprache begrenzt ist. Wenn es um IT-Fachkräfte geht, werden wir den Bedarf allein mit dem in Deutschland verfügbaren Potenzial nicht mehr decken können.
„WENN ES UM DIE DIGITALISIERUNG VON GLOBALEN AUFGABEN WIE SALES UND MARKETING GEHT, MUSS MAN DIE KÖPFE UND STRUKTUREN FÜR NEUE MODELLE ÖFFNEN.“
Doch was macht man in Bereichen, in denen das nicht geht?
Denis Wiegel – In der Fertigung ist Homeoffice natürlich kaum möglich. Unser Werkleiter in Schweinfurt hatte deshalb die unkonventionelle Idee, die Türen des Werkes zu öffnen und Bewerber einzuladen, die noch nicht einmal einen Lebenslauf mitbringen mussten. Da kamen enorm viele Menschen, die diese Chance wahrnehmen wollten. Es wurden einfach Bewerbungsgespräche geführt und geschaut, ob passende Bewerber dabei sind. Das hat erstaunlich gut funktioniert, weil die Leute nicht mehr die Hemmschwelle einer förmlichen Bewerbung überwinden mussten. Und es waren sehr viele gute Kandidaten dabei, sodass wir dort jede Menge neue Mitarbeiter gewonnen haben. Vor zwei oder drei Jahren wäre solch ein Verfahren undenkbar gewesen. Das zeigt aber, dass man manchmal mit ganz einfachen Ideen Erfolg haben kann. Ich hatte kürzlich ein Gespräch mit einem IT-Dienstleister, der mir berichtete, dass sie ihre Vorgehensweise komplett umstellen. Die schicken die Leute nicht mehr in die bereits vorhandenen Büros, sondern bauen ab einer kritischen Masse von 15 bis 20 Personen die Büros dort auf, wo die Mitarbeiter sind, damit sie in ihrem Ort bleiben können. Auch wir bei Schaeffler werden weiter neue Wege gehen, um auf diese Weise flexibler auf Bewerber eingehen zu können.
Die IT-Sicherheit sorgt immer wieder für Schlagzeilen. Wie sieht es denn personell damit bei Ihnen aus?
Ralf Malter – Wir haben den Vorteil, eine sehr große Beratungseinheit für Cyber-Security im Haus zu haben. Die Unternehmen beschäftigen sich auch immer mehr mit Themen in diesem Bereich. Das reicht von der Prävention über die Abwehr von Angriffen bis hin zur Schadensbeseitigung. Eine digitale Fabrik zu haben heißt ja nichts anderes, als von außen angreifbar zu sein. Es kann daher jeden treffen. Allerdings wird in Unternehmen oft erst reagiert, wenn etwas passiert ist. Seit Februar dieses Jahres hat sich das Bewusstsein für Hackerangriffe geschärft. Das spiegelt sich in den verstärkten Anfragen wider. Andererseits sind das auch spannende Themen, mit denen man IT-Fachkräfte gewinnen kann.
Gibt es Bereiche, in denen Mitarbeiter besonders fehlen, Herr Ochs?
Jörg Ochs – Wir haben bundesweit ein großes Problem im SAP-Bereich, weil das selbst mit neueren Designkonzepten wie Fiori für Studienabgänger im IT-Bereich nicht so spannend ist wie etwa App- oder Website-Programmierung oder Lösungen mit künstlicher Intelligenz. Da die älteren SAP-Systeme in einigen Jahren abgeschaltet werden, herrscht aktuell ein enormer Bedarf in den Unternehmen, die neuen Lösungen zu implementieren. Doch es gibt kaum Leute, die das können. An die kommt man auch mit Tech Talks und einer Bewerber-Tram, bei der sich die Leute sich ohne Bewerbungsunterlagen vorstellen können, nicht heran. Also habe ich mir eine Agentur gesucht, die auf Boot Camps spezialisiert ist. Die waren für das Recruiting und die Motivation der Teilnehmer verantwortlich, wir haben die Inhalte geliefert. Die Agentur hat geprüft, ob die Leute das Entwicklungspotenzial und den Willen haben, sich in ein völlig fremdes Aufgabengebiet einzuarbeiten. Auf diese Weise haben wir in diesem Frühjahr 15 Bewerber über vier Monate an SAP-Systemen ausgebildet. Sie waren vorher als Bäcker, Metzger, Lehrer oder Busfahrer tätig. Am Ende haben zwölf von ihnen durchgehalten und programmieren jetzt als eigene Gruppe bei uns hoch motiviert in SAP-ABAP.
Wie sieht es bei der internen Zusammenarbeit aus? Gibt es eine alte Garde, bei der es Konflikte mit jüngeren Kollegen gibt?
Marek Rydzewski – Die Linie verläuft nicht entlang der Altersgrenze oder der Dauer der Betriebszugehörigkeit, sondern entlang der Digitalaffinität. Wir haben uns daher mit dem Thema Digitalkompetenz beschäftigt. Alle Branchen und Bereiche werden digitaler, darauf müssen sich alle Mitarbeitende einstellen. Dabei allen die notwendige Unterstützung zu bieten, ist Teil unserer Corporate Digital Responsibility, kurz CDR. Digitale Verantwortung heißt für uns, dass wir weder Mitarbeitende noch Kunden digital abhängen dürfen. Wenn wir mit den großen Hightech-Konzernen konkurrieren wollen, dann ist die Glaubwürdigkeit beim sicheren Umgang mit sensiblen Daten im Gesundheitssektor ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Deshalb beteiligen wir uns auch an der CDR-Initiative der Bundesregierung. Unsere digitale Verantwortung nehmen wir in unterschiedlichen Bereichen wahr, etwa in Hinblick auf Transparenz und Datensouveränität. Konkrete Beispiele sind unter anderem die Abrechnung der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, die für die Versicherten viel transparenter geworden ist. Es geht aber auch um den Zugriff auf Daten. Früher lag die Patientenakte beim Arzt, die Patientinnen und Patienten hatten keinen Zugriff darauf. Heute können die Versicherten sie auf dem Smartphone jederzeit einsehen.
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